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Erbschein als Erbenausweis - Pflicht oder entbehrlich?

BGH kippt AGB der Sparkassen

Veröffentlicht am: 23.10.2013
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 8. Oktober 2013 (Aktenzeichen: XI ZR 401/12) eine wichtige Klausel in den AGB der Sparkassen für unwirksam erklärt. Betroffen ist die Regelung, nach der die Sparkasse nach dem Versterben eines Kunden zur Klärung der rechtlichen Berechtigung an den Konten und Depots auf die Vorlage eines Erbscheins oder eines Testamentsvollstreckerzeugnisses bestehen darf. Hierin sieht der BGH eine unangemessene Benachteiligung der Verbraucher. Geklagt hatte ein Verbraucherschutzverband.

In der Begründung führte das Gericht aus, dass ein Erbe rechtlich grundsätzlich nicht dazu verpflichtet ist, sein Erbrecht durch einen Erbschein nachzuweisen, wenn ihm dies auch in anderer Form gelingt. Die Regelung der Sparkasse sei unwirksam, weil auch in solchen Fällen, in denen das Erbrecht überhaupt nicht zweifelhaft ist oder durch andere Dokumente einfacher und kostengünstiger nachgewiesen werden kann, das Kreditinstitut auf den Erbschein bestehen könnte.

Erbschein beantragen, um die Sparkasse vor doppelter Inanspruchnahme zu schützen?

Der BGH erkennt zwar die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme der Sparkasse sowohl durch einen Scheinerben als auch durch einen wahren Erben, fordert aber dennoch eine Interessenabwägung.

Auch die gesetzliche Regelung des § 35 der Grundbuchordnung, die die Legitimation der Erben bei der Grundbuchberichtigung betrifft, könne - so das Gericht - nicht zugunsten der Sparkassen herangezogen werden, da die Anforderungen der Sparkassen an den Erbfolgenachweis in deren AGB noch höher seien.

In Ziffer 5 ("Legitimationsurkunden") der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkassen heißt es u.a.:

  1. Erbnachweise: Nach dem Tode des Kunden kann die Sparkasse zur Klärung der rechtsgeschäftlichen Berechtigung die Vorlegung eines Erbscheins, eines Testamentsvollstreckerzeugnisses oder ähnlicher gerichtlicher Zeugnisse verlangen; fremdsprachige Urkunden sind auf Verlangen der Sparkasse mit deutscher Übersetzung vorzulegen. Die Sparkasse kann auf die Vorlegung eines Erbscheins oder eines Testamentsvollstreckerzeugnisses verzichten, wenn ihr eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift vom Testament oder Erbvertrag des Kunden sowie der Niederschrift ̧ber die zugehörige Eröffnungsverhandlung vorgelegt wird.
  2. Leistungsbefugnis der Sparkasse: Die Sparkasse ist berechtigt, auch die in Urkunden nach Absatz 1 Satz 2 als Erbe oder Testamentsvollstrecker bezeichneten Personen als Berechtigte anzusehen, insbesondere sie verf ̧gen zu lassen und mit befreiender Wirkung an sie zu leisten. Dies gilt nicht, wenn der Sparkasse die Unrichtigkeit oder Unwirksamkeit dieser Urkunden bekannt oder infolge Fahrlässigkeit nicht bekannt geworden ist

Das Wesen des Erbscheins

Der Erbschein ist aus rechtlicher Sicht lediglich eine Art Ausweis bzw. Legitimationspapier, mit dem sich der Erbe als solcher ausweist. Der Erbschein macht aber niemanden zum Erben und erwächst auch nicht in Rechtskraft. Auch noch Jahre nach der Ausstellung des Erbscheins können andere potenzielle Erben gegen den Erbschein vorgehen und dessen Einziehung verlangen. Das Erbscheinsverfahren bringt daher nur bedingte Rechtssicherheit. Als Alternative zum Erbscheinsverfahren bei einem Streit darüber, wer überhaupt und mit welcher Quote Erbe geworden ist, steht dem Rechtsanwalt des Beteiligten daher auch der Weg der Feststellungsklage vor den ordentlichen Gerichten frei. Auf diese Weise lässt sich zumindest die Erbenstellung für die an der Klage Beteiligten endgültig klären, wenn das Urteil bzgl. einer solchen Erbfeststellungsklage rechtskräftig wird.

Das Urteil ist auf den ersten Blick nachvollziehbar. Warum sollte sich der Erbe in eindeutigen Fällen nicht den Gang zum Nachlassgericht bzw. Notar sparen und darauf verzichten können, einen Erbschein zu beantragen?  Es fragt sich nur, was denn tatsächlich solche unzweifelhafte Fälle sein sollen. Bereits die gesetzliche Erbfolge ist aus Sicht der Banken ja bereits kaum nachvollziehbar. Und selbst wenn die familiären Verhältnisse und damit die vermeintliche Erbfolge eindeutig scheint, so bleibt es doch stets ungewiss, ob nicht die gesetzliche Erbfolge durch Testament geändert wurde. Daran ändert schließlich auch die Vorlage dieses Testaments (mit Eröffnungsprotokoll) nichts, da das Testament unwirksam sein könnte, angefochten werden könnte oder durch weitere nicht eingereichte letztwillige Verfügungen widerrufen worden sein könnte. Wer sich als spezialisierter Rechtsanwalt bzw. Fachanwalt für Erbrecht tagtäglich mit Erbfällen und deren Abwicklung auseinandersetzt, hat jedenfalls starke Zweifel daran, dass sich im Rahmen einer Interessenabwägung durch einen Mitarbeiter einer Sparkasse oder einer Bank die rechtlich eindeutigen Fälle von den zweifelhaften Fällen unterscheiden lassen. Wer an einen Erben bzw. eine Erbengemeinschaft Geld auszahlt oder sonstiges Vermögen herausgibt, tut daher aus der Sicht eines Anwalts gut daran, auf einen Erbschein als Legitimation zu bestehen.