Stiefsohn als "Kind" im Testament?

Eine Frage der Auslegung

Berliner Testamente von Ehegatten sind komplex. Wenn dann noch in der Erbeinsetzung ungenau formuliert wird, kommt es fast sicher zum Erbstreit.

Veröffentlicht am: 21.08.2025
Qualifikation: Fachanwältin für Erbrecht und Steuerrecht
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Werden im Testament die Kinder eingesetzt, versteht nicht jeder darunter das Gleiche. Sind damit sowohl eheliche als auch uneheliche Kinder gemeint - und was ist mit Adoptivkindern, Schwiegerkindern oder Stiefkindern? Das Oberlandesgericht Düsseldorf musste kürzlich einen Fall entscheiden, in dem ein Ehepaar bei der Erbeinsetzung die Formulierung “unsere Kinder” benutzte und Streit darüber entstand, ob dazu auch der Stiefsohn gehörte (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Juli 2025 - 3 Wx 116/25). 

Kinder als Schlusserben im Berliner Testament

In dem Fall ging es um eine Familie, in der die Eltern zwei gemeinsame Kinder hatten. Die Mutter hatte darüber hinaus noch einen weiteren Sohn von einem anderen Mann, der im Haus der Familie aufwuchs. 1997 errichteten die Eltern gemeinsam ein handschriftliches Berliner Testament, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten. Schlusserben sollten “unsere Kinder” sein und im Falle der Wiederverheiratung nach dem Tod des zuerst versterbenden, sollten die Kinder dreiviertel des Nachlasses als Vermächtnis bekommen. 

Nachdem die Mutter verstorben war, errichtete ihr Ehemann ein neues Einzeltestament. Darin setzte er aber nur noch seine beiden Söhne, nicht aber den Stiefsohn, als Erben ein. Er behauptete, das sei auch schon im gemeinschaftlichen Ehegattentestament die gewollte Erbfolge gewesen. Als der Mann verstarb, stellte das Nachlassgericht dann tatsächlich auch nur den beiden ehelichen Söhnen einen Erbschein aus. Hiergegen wehrte sich der Stiefsohn und Halbbruder aber erfolgreich, sodass der Erbschein gemäß § 2361 BGB eingezogen wurde. Der Streit landete vor dem OLG Düsseldorf.

Auslegung zugunsten des Stiefsohns

Die Richter am OLG gaben ebenfalls dem Stiefsohn recht und bestätigten die Einziehung des Erbscheins, da dieser die falsche Erbfolge auswies und demnach inhaltlich falsch war. Schlusserben seien vielmehr alle drei Kinder geworden. Das sei das Ergebnis der korrekten Auslegung des Testaments. Denkbar sei zwar grundsätzlich, dass mit der Formulierung “unsere Kinder” nur die gemeinsamen Kinder gemeint sind. Da die Kinder in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben und von den Eltern “unsere Kinder” genannt wurden, sei es aber naheliegend, dass der wirkliche Wille der Eltern sich auf die testamentarische Einsetzung aller drei Kinder bezog. 

Es habe auch - so das OLG - keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Mutter ihr erstgeborenes Kind habe enterben wollen. Und auch die Widerverheiratungsklausel mit dem Vermächtnis zugunsten der Kinder in Höhe von drei Vierteln deute auf die Erbeinsetzung der drei Kinder hin. 

Ehegattentestament: Achtung Bindungswirkung!

Das so ausgelegte Berliner Testament konnte vom Ehemann nicht durch das neue Einzeltestament widerrufen werden. Es hatte insoweit eine Bindungswirkung entfaltet, als dass der überlebende Ehemann die Erbfolge hinsichtlich der Söhne nach dem Tod seiner Ehefrau nicht mehr ändern durfte. Wie auch die gegenseitige Einsetzung als Alleinerben sei die Einsetzung der drei Söhne als Schlusserben, so das OLG, wechselbezüglich und damit bindend. Das neue Testament war damit gemäß § 2270 Abs. 1 BGB unwirksam. 

Auslegungsstreit mit vorhersehbarem Ende

Der Fall dokumentiert eine typische “Panne” bei der Formulierung eines handschriftlichen Testaments. Die Ehegatten hatten offenbar eine Vorlage für die Grundstruktur eines Berliner Testaments und auch für spezielle Regelungen wie die Widerverheiratungsklausel. Die helfende Klarstellung, wer denn zum Kreis der Kinder gehört, wurde aber übersehen. Der Streit darüber war dann fast ebenso vorhersehbar wie der Ausgang dieses Konflikts im Erbscheinverfahren. 

Video: Berliner Testament - ein Klassiker mit Tücken

Rechtsanwalt Bernfried Rose erklärt in diesem Problem, welche Probleme es rund um das Berliner Testament und seine Auslegung gibt.