Keine Fortsetzung der GmbH nach Insolvenzantrag

Nachträgliche Einzahlung des Stammkapitals irrelevant

Die Bedeutung des Stammkapitals für die GmbH hat kürzlich nach dem Oberlandesgericht Frankfurt nun auch der Bundesgerichtshof bestätigt. Die findige GmbH aus dem Raum Frankfurt hatte versucht, die bei Fehlen des Stammkapitals verpflichtende Insolvenz durch einen Gesellschafterbeschluss zu vermeiden.

Veröffentlicht am: 05.04.2022
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Nachträgliche Einzahlung des Stammkapitals irrelevant

Autor: Fiona Schönbohm, Rechtsanwältin in Hamburg & Berlin

Die Bedeutung des Stammkapitals für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) hat kürzlich nach dem Oberlandesgericht Frankfurt nun auch der Bundesgerichtshof bestätigt (BGH, Urteil vom 25.02.2022, Az. II ZB 8/21). Die findige GmbH aus dem Raum Frankfurt hatte versucht, die bei Fehlen des Stammkapitals verpflichtende Insolvenz durch einen Gesellschafterbeschluss zu vermeiden.

Hintergrund: Bedeutung des Stammkapitals der GmbH

Die Bedeutung des Stammkapitals der GmbH rührt von der beschränkten Haftung der Gesellschaft her. Diese haftet, so die Konstruktion und der Wille des Gesetzgebers, nur mit dem Vermögen des Unternehmens und nicht - wie in anderen Gesellschaften - mit dem Privatvermögen der beteiligten Gesellschafter. Dieses Haftungsprivileg benachteiligt aber die Gläubiger der GmbH: Hat sie kein Vermögen, bleiben sie auf ihren Kosten sitzen. Das Stammkapital dient quasi als Mindesthaftungssumme für Gläubiger. Bei der GmbH beträgt das Stammkapital mindestens 25.000 EUR. In dieser Höhe muss die GmbH Dritten gegenüber also mindestens haften.

Daraus folgt, dass das Stammkapital gesetzlich geschützt ist. So darf es beispielsweise nicht an die Gesellschafter ausgeschüttet werden. Wird es nicht eingezahlt, haften die Gesellschafter in Höhe des Stammkapitals ausnahmsweise doch mit ihrem Privatvermögen (sog. Ausfallhaftung). Bei nachträglichem Entzug lebt diese Haftung wieder auf.

Achtung Haftungsfalle: Insolvenzantrag bei fehlendem Stammkapital

Ist das Stammkapital nicht mehr verfügbar, muss die Gesellschaft einen Insolvenzantrag stellen. Das GmbH-Gesetz (GmbHG) sieht in seinen §§ 64 und 84 vor, dass ein Geschäftsführer spätestens drei Wochen nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenz anmelden muss. Andernfalls droht eine persönliche Haftung des GmbH-Geschäftsführers.

Wie Sie eine Haftung des GmbH-Geschäftsführers vermeiden, können Sie in unserem Leitfaden zur Haftungsvermeidung für GmbH-Geschäftsführer nachlesen: Leitfaden zur Haftungsvermeidung für GmbH-Geschäftsführer

Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückgewiesen

In dem unserem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt machte die betroffene GmbH zunächst alles richtig. Als ihr Stammkapital, das noch in Höhe von 50.000 DM im Handelsregister eingetragen war, nicht mehr verfügbar war, stellte der Geschäftsführer der GmbH einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Da die GmbH aber nicht einmal mehr die Mittel besaß, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu tragen, wurde der Antrag abgelehnt und die Auflösung der GmbH im Handelsregister eingetragen.

Einen Monat später beschlossen die Gesellschafter indes per Gesellschafterbeschluss die Fortsetzung der GmbH sowie die Verlegung ihres Sitzes und die Änderung des Unternehmensgegenstandes. Der Geschäftsführer meldete die Neuerungen im Handelsregister an und versicherte dabei, dass mit der Verteilung des Vermögens an die Gesellschafter noch nicht begonnen worden sei, die Verbindlichkeiten der Gesellschaft das Gesellschaftsvermögen nicht überstiegen und keine wirtschaftliche Neugründung vorliege.

Circa ein Jahr später erklärte er den Rangrücktritt eines der Gesellschaft gewährten Darlehens von 2.900.000 Euro und überwies der Gesellschaft 25.000 Euro mit dem Verwendungszweck "Einzahlung Stammkapital".

Urteil: nach Eintragung der Auflösung keine Gesellschaft mehr

Der BGH bestätigte nun die Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. und wies den Eintragungsantrag der GmbH zurück. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass nach Eintragung der Auflösung in das Handelsregister keine fortsetzungsfähige GmbH mehr existiere. § 60 Absatz 1 Nr. 5 GmbHG sehe eine solche Fortsetzung explizit nicht vor. Hintergrund ist der Sinn des Stammkapitals als Schutz für Gläubiger. Sei eine GmbH insolvent, solle im öffentliche Interesse nach dem Willen des Gesetzgebers die Gesellschaft möglichst rasch beendet werden.

An einer Erweiterung der gesetzlichen Fortsetzungsmöglichkeiten über § 60 Absatz 1 Nr. 4 GmbHG hinaus besteht laut BGH kein Bedürfnis. Danach ist die Fortsetzung der GmbH möglich nach der Bestätigung eines Insolvenzplans, der den Fortbestand der Gesellschaft vorsieht. In diesem Fall allein können die Gesellschafter die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen. Die Regelung sei, so die Richter, abschließend. Andernfalls finde keine gesetzliche Prüfung der Überwindung der Insolvenzreife statt und Dritte seien nicht geschützt. Ob die Insolvenzreife tatsächlich nachträglich überwunden wird, sei also nicht entscheidend.

Fazit: Nachträglicher Wegfall der Insolvenzreife irrelevant

Die Entscheidung hat besondere Bedeutung für Geschäftsführer der GmbH: Sie sind gesetzlich verpflichtet, binnen drei Wochen ab Eintritt der Insolvenzreife einen Antrag zu stellen. Oft sind es die Gesellschafter, die Druck ausüben, diesen (noch) nicht zu stellen. Wird er einmal gestellt, gibt es nur die im Gesetz vorgesehene Möglichkeit zur Fortsetzung der GmbH. Selbst wenn das Stammkapital nachträglich wieder verfügbar ist, müssen die Beteiligten auf diese gesetzliche Möglichkeit zurückgreifen und ggf. rechtzeitig einen Insolvenzplan einreichen. Geschieht dies nicht, kann auch eine nachträgliche Änderung der Umstände die GmbH nicht wieder "ins Leben rufen".

Wer die gesetzlichen Regelungen kennt, ist hier klar im Vorteil: Wenn sich eine Zahlung in näherer Zukunft abzeichnet, kann ein Insolvenzplan eingereicht und die Insolvenz abgewendet werden.