Hannover 96 muss Mitgliederdaten herausgeben

Zur Datenschutzverletzung in 23.000 Fällen gezwungen?

Veröffentlicht am: 21.03.2019
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Zur Datenschutzverletzung gezwungen?

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Thomas Repka

Wie der Bundesliga-Club Hannover 96 e.V. am 20. März in einer Pressemitteilung bekanntgab, muss der Verein die persönlichen Daten aller seiner 23.000 Mitglieder herausgeben. Drei Vereinsmitglieder, die zugleich Vertreter einer Interessenvereinigung namens IG PRO Verein 1896 sind, hatten geklagt, um die Daten aller Mitglieder (Adressen, E-Mail-Adressen) zu erhalten. Hintergrund ist die bevorstehende Jahreshauptversammlung, auf der wegweisende Entscheidungen getroffen werden sollen. Im Bundesligaverein Hannover 96 herrscht seit Jahren Streit um die Ausrichtung und Aufstellung des Vereins – die Opposition der „IG PRO Verein 1896“ kämpft vor allem für die Aufrechterhaltung der "50+1"-Regel im Verein und damit gegen die Pläne von Präsident Martin Kind.

Entscheidung des Amtsgerichts Hannover

Die Vertreter der Opposition hatten die Daten aller Vereinsmitglieder verlangt, um ihre Sicht und ihre Argumente allen Mitgliedern des Vereins vor der Jahreshauptversammlung zu übermitteln. Das Amtsgericht Hannover gab den drei Vertretern im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Recht und verpflichtete den Bundesliga-Club unter Androhung eines Zwangsgeldes, die Daten aller Vereinsmitglieder zu übermitteln.

Hannover 96 kommentiert die Gerichtsentscheidung wie folgt: „Für den Vorstand ist diese Entscheidung, insbesondere mit Blick auf die Datenschutzgrundverordnung, in keiner Weise nachvollziehbar". So sieht es offenbar auch die niedersächsische Datenschutzbehörde – sie hält die Einbeziehung eines neutralen Treuhänders für "nicht nur geboten, sondern zwingend erforderlich".

Der Bundesliga-Club hat Berufung eingelegt und hat angekündigt, sämtliche zur Verfügung stehende Rechtsmittel auszuschöpfen. Über diese ist durch das Landgericht Hannover noch nicht entschieden. Aufgrund der vorläufigen Vollstreckbarkeit der erstinstanzlichen Entscheidung musste der Verein die Daten nunmehr trotzdem schon herausgeben.

Rechtliche Beurteilung der Datenweitergabe

Daraus folgt eine paradoxe Situation: die Verantwortlichen von Hannover 96 sind der Meinung, die Datenweitergabe würde gegen geltendes Datenschutzrecht verstoßen – müssen aber gleichwohl das Urteil des AG Hannovers befolgen und die Daten herausgeben. Wie ist die Rechtslage hier zu beurteilen? Ist das Urteil des Amtsgerichts Hannover haltbar?

Der Verein ist Verantwortliche im Sinne der Datenschutzgrundverordnung und braucht für die Weitergabe der personenbezogenen Daten seiner Mitglieder an Dritte grundsätzlich eine Rechtsgrundlage. In Betracht kommt hier allein der der Tatbestand der „berechtigten Interessen“ gem. Art. 6 Abs. 1 S. 1lit. f DSGVO. Stützt man sich auf diesen Im Rahmen dieser Norm muss eine Abwägung zwischen den Interessen von Hannover 96 und den Geheimhaltungsinteressen der betroffenen Vereinsmitglieder stattfinden.

Umfassende Abwägung der gegenläufigen Interessen

Die Interessenslage der Betroffenen ist klar: sie wollen selbst über die Verwendung und Weitergabe ihrer Daten bestimmen. Genau dies ist Gegenstand des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, dem durch das Datenschutzrecht größtmöglich Rechnung getragen werden soll. Zugunsten des Vereins lässt sich nur anführen, dass er das gegen den Verein ergangene Urteil befolgen möchte. Dass der Verein sonst keinerlei Interesse an einer Datenweitergabe haben die Verantwortlichen ja sehr deutlich kommuniziert.

Erfasst werden aber auch Interessen von Dritten – hier kommen die Interessen der Oppositionsvertreter ins Spiel, Mitglieder über ihre Positionen vereinsintern zu informieren. Hier wären in der Abwägung aber auch andere – weniger einschneidende – Möglichkeiten der Informationsübermittlung zu prüfen. So hatte der Verein angeboten, den Mitgliedern selbst unzensiert die Informationen zu übermitteln. Diesen Weg hatte die Opposition jedoch abgelehnt.

Aus unserer Sicht lassen sich gute Gründe dafür anführen, dass die Datenweitergabe nicht rechtmäßig ist – zumindest nicht in dem Umfang, wie es das AG Hannover entschieden hat. Es sind viele mildere Wege denkbar, die gleichwohl die Information der Vereinsmitglieder gewährleisten. Zudem gilt der Grundsatz: Vereinsmitglieder sollen sich grundsätzlich darauf verlassen dürfen, dass der Verein ihre Daten ausschließlich für die Förderung der Vereinszwecke und zur Verwaltung und Betreuung der Mitglieder nutzt und nicht für andere Zwecke an Dritte weitergibt.

Und dürfen jetzt alle Mitglieder angeschrieben werden?

Auch die Nutzung der Daten durch die Oppositionsvertreter ist datenschutzrechtlich kritisch. Denn jetzt auf einmal sind sie selbst Datenverantwortlicher und müssen die strengen Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung einhalten. Die Nutzung der Daten, z.B. zur Übersendung einer E-Mail mit Informationen, stellt eine neue Datenverarbeitung dar, die einer eigenen Rechtsgrundlage bedarf. Als Rechtsgrundlage kommt auch hier nur die Abwägung nach Art. 6 Abs. 1 S. 1lit. f DSGVO in Betracht. Ob die Abwägung hier tatsächlich zu Gunsten der Opposition ausgeht, lässt sich treffend diskutieren.

Also ein Eigentor?

Die gerichtlich durchgesetzte Datenherausgabe könnte sich somit auch als Eigentor der Opposition herausstellen. Gut möglich, dass betroffene Vereinsmitglieder Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche geltend machen, wenn sie angeschrieben werden.

Denkbar ist auch, dass Mitglieder den Verein für die möglicherweise illegale Datenweitergabe in Anspruch nehmen. Nach eigenen Angaben von Hannover 96 hätten den Verein bereits "Hunderte von Mails von Mitgliedern" erreicht, die mit Austritt und Klage drohten, falls ihre Daten an für sie unbekannte Mitglieder weitergegeben werden. Bleibt die niedersächsische Datenschutzbehörde bei ihrer Einschätzung, droht eventuell sogar ein Bußgeldverfahren und womöglich eine persönliche Haftung der Vereinsverantwortlichen.