Herausforderungen durch Zahlungsverkehrsverbote der EU

Sanktionen und übereifrige Banken

Eine aktuelle Entscheidung des OLG Stuttgart zeigt auf, welche Probleme sich für den Geschäftsverkehr aus dem ausufernden Sanktionsregimen ergeben.

Veröffentlicht am: 08.07.2024
Qualifikation: Rechtsanwalt & Fachanwalt für Gesellschaftsrecht in Hamburg
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Die Europäische Union (EU) hat im Rahmen ihrer Außenpolitik verschiedene Sanktionen erlassen, die auf bestimmte Länder und Organisationen abzielen, um politische Ziele zu erreichen. Ein besonders prägnantes Beispiel hierfür sind die Sanktionen gegen Russland, die aufgrund des Angriffs auf die Ukraine verhängt wurden. Diese Sanktionen umfassen Maßnahmen wie das Einfrieren von Vermögenswerten und das Verbot bestimmter Finanztransaktionen. Die rechtlichen Grundlagen dieser Sanktionen sind in verschiedenen EU-Verordnungen festgelegt, darunter die Verordnung (EU) Nr. 833/2014, die zentrale Sanktionsmechanismen für Maßnahmen gegen Russland vorsieht.

Die sich aus diesem und anderen Sanktionsregimen ergebenden Folgen sind erheblich und greifen nicht nur in den Wirtschaftsverkehr, sondern auch in Grundrechte der Betroffenen ein, was kritische Fragen aufwirft, auch weil die Wirkung der Sanktionen oft fragwürdig ist.

Wirkungsweise der Sanktionen im Zahlungsverkehr

Ein zentraler Aspekt der EU-Sanktionen sind die Zahlungsverbote, die speziell auf Banken abzielen. Diese Zahlungsverbote sollen verhindern, dass Finanzmittel in Länder oder an Personen fließen, die unter die Sanktionen fallen. Banken dürfen keine Finanztransaktionen durchführen, die gegen die Sanktionen verstoßen, was in der Praxis zu erheblichen Herausforderungen führen kann. Beispielsweise dürfen Banken keine Zahlungen an sanktionierte Personen oder Organisationen ausführen, und es ist ihnen untersagt, Gelder zu transferieren, die in Verbindung mit sanktionierten Aktivitäten stehen.

Kritiker argumentieren, dass die Zahlungsverbote der EU-Sanktionen nicht nur die wirtschaftliche Stabilität der sanktionierten Länder beeinträchtigen, sondern auch die Grundrechte beteiligter Unternehmen in den sanktionierenden Ländern einschränken. Unternehmen sind auf funktionierende Finanztransaktionen angewiesen, um ihre Geschäfte zu führen. Die Einschränkungen im Zahlungsverkehr können Unternehmen daran hindern, ihre vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen, was zu Schadensersatzforderungen und Störungen der Geschäftsbeziehungen führt. Dabei bleibt die tatsächliche Effektivität dieser Sanktionen oft fragwürdig, da sie oft nicht die gewünschten politischen Veränderungen bewirken und stattdessen den internationalen Handel und die wirtschaftliche Freiheit einschränken.

US-Sekundärsanktionen

Neben den direkten Sanktionen der EU gibt es auch die sekundären US-Sanktionen, die eine weitere Komplexitätsebene für international agierende Unternehmen hinzufügen. Diese Sanktionen betreffen nicht nur US-Unternehmen, sondern auch ausländische Unternehmen, die mit sanktionierten Personen oder Organisationen Geschäfte machen. Die US-Sekundärsanktionen zielen darauf ab, die Einhaltung der US-Sanktionsregelungen weltweit zu erzwingen, indem sie ausländische Unternehmen mit Strafen belegen oder den Zugang zum wichtigen US-Markt verweigern, wenn sie gegen US-Sanktionen verstoßen. Dies bedeutet, dass international tätige europäische Unternehmen nicht nur die EU-Sanktionen, sondern auch die US-Sanktionen berücksichtigen müssen. Diese extraterritoriale Wirkung wird oft als Einmischung in die Souveränität anderer Staaten kritisiert und führt zu erheblichen Unsicherheiten und zusätzlichen Compliance-Kosten für die betroffenen Unternehmen.

Problem Over-Compliance von Banken

Ein häufig auftretendes Problem im Zusammenhang mit Sanktionen ist das Phänomen der „Over-Compliance“, also der Übererfüllung der Vorschriften. Banken und Finanzinstitute neigen dazu, besonders vorsichtig zu agieren, um nicht versehentlich gegen Sanktionen und andere geldwäscherechtliche Vorschriften zu verstoßen. Dies führt dann nicht selten dazu, dass Transaktionen blockiert werden, die eigentlich legal sind. Dieser „Übereifer“ der Finanzinstitute ist oft auf unklar formulierte oder zu weit gefasste Sanktionsregelungen zurückzuführen, was die Anwendung erschwert und entsprechende Unsicherheiten mit sich bringt. Am anderen Ende drohen dann Schadensersatzforderungen der unrechtmäßig blockierten Unternehmen.

Aktueller Fall vor dem OLG Stuttgart

Ein aktueller Fall vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart beleuchtet die Problematik der Over-Compliance im Zusammenhang mit den EU-Sanktionen gegen Russland. Dort ging es um eine deutsche GmbH, die einen Überweisungsauftrag von einem deutschen Kreditinstitut zu einem anderen deutschen Kreditinstitut gab. Im Raum stand eine Überweisung in Höhe von 25.744.438 Euro, die ursprünglich an eine russische Firma gehen sollte. Aufgrund der Sanktionen wurde die Überweisung jedoch nicht durchgeführt, und der Rückzahlungsanspruch wurde stattdessen an die deutsche Tochter-GmbH abgetreten. Diese verlangte nun die Überweisung auf ein eigenes Konto bei einer deutschen Sparkasse. Das lehnte die Bank unter Hinweis auf die bestehenden Sanktionen ab. Das OLG Stuttgart entschied jedoch gegen die Bank, weil eine solche rein innerdeutsche Überweisung nicht unter die Embargo-Verordnung (VO (EU) 833/2014) fällt und somit durchgeführt werden muss.

Folgerungen für die Praxis

Der Fall des OLG Stuttgart zeigt, wie wichtig eine genaue Prüfung der rechtlichen Grundlagen bei der Anwendung von Sanktionen ist. Banken und Finanzinstitute müssen sicherstellen, dass sie nicht aus übermäßiger Vorsicht legitime Transaktionen blockieren. Dies erfordert ein tiefes Verständnis der relevanten EU-Verordnungen und eine sorgfältige Abwägung der Risiken. Gleichzeitig müssen Unternehmen, die in internationalen Märkten tätig sind, sich der komplexen rechtlichen Lage bewusst sein und entsprechende Maßnahmen ergreifen, um Compliance-Risiken zu minimieren.

Für die beratenden Anwälte auf Seiten der Banken und der international agierenden Unternehmen bedeutet dies, dass sie ihre Mandanten umfassend über die sehr komplexen rechtlichen Rahmenbedingungen und die sich daraus ergebenden potenziellen Risiken informieren müssen. Insbesondere bei internationalen Geschäften ist es wichtig, sowohl die EU- als auch die US-Sanktionen zu berücksichtigen und geeignete Strategien zur Risikominimierung zu entwickeln. Gegen die auch im vorgestellten Fall des OLG Stuttgart grassierende Over-Compliance müssen die betroffenen Unternehmen konsequent geschützt werden, damit die sehr weitreichenden Sanktionen nicht noch künstlich erweitert werden und zusätzlichen Schaden im Wirtschaftsverkehr anrichten.

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