Homeoffice - Alternative zur Versetzung?

Das sagt das LAG Berlin-Brandenburg

Veröffentlicht am: 03.01.2022
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Das sagt das LAG Berlin-Brandenburg

Ein Beitrag von Christian Westermann, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg

Grundsätzlich darf der Arbeitgeber in einem laufenden Arbeitsverhältnis den Arbeitsort des Arbeitnehmers in Ausübung seines Direktionsrechts nach billigem Ermessen bestimmen. Dieses Direktionsrecht kann durch entsprechende Regelungen im Arbeitsvertrag allerdings eingeschränkt werden. Legt der Arbeitsvertrag den Arbeitsort z.B. auf eine bestimmte Stadt fest, so muss der Arbeitgeber in der Regel zu dem Mittel der Änderungskündigung greifen, d.h. den bestehenden Arbeitsvertrag kündigen und dem Mitarbeiter gleichzeitig ein neues Arbeitsverhältnis am geänderten Arbeitsort anbieten, wenn er den Arbeitsort ändern will.

Was aber, wenn der Arbeitnehmer stattdessen lieber bequem ausschließlich aus dem Homeoffice arbeiten möchte, anstatt in eine andere Stadt umzuziehen? So verhielt es sich in einem Fall, den das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zuletzt zu entscheiden hatte (Urteil vom 24.03.2021 – Az. 4 Sa 1243/20).

Standortschließung und Zentralisierung der Assistenztätigkeiten am Hauptsitz

In dem entschiedenen Fall war die klagende Arbeitnehmerin seit 1992 bei einer Bank mit Hauptsitz in Wuppertal als Vertriebsassistentin beschäftigt gewesen. Der Arbeitsvertrag enthielt die Bestimmung, dass die Klägerin als Mitarbeiterin der Filiale Berlin eingestellt war. Die Klägerin unterstützte Außendienstmitarbeiter der Arbeitgeberin, deren Aufgabe die eigentliche Kundenbetreuung war.

Die beklagte Arbeitgeberin beschloss im Jahr 2019, im Rahmen einer Umstrukturierung den Betrieb in Berlin stillzulegen. Die bisherigen Aufgaben der Vertriebsassistenten sollten in Zukunft von zwei neu zugeschnitten Bereichen (Vertriebsassistenz und Serviceassistenz) in der Wuppertaler Unternehmenszentrale wahrgenommen werden. Die Außendienstmitarbeiter erhielten die Möglichkeit, ihre Tätigkeit von Arbeitsplätzen im Homeoffice aus fortzusetzen.

Die Klägerin erhielt deshalb eine betriebsbedingte Änderungskündigung, verbunden mit dem Angebot, ihre Tätigkeit in Wuppertal fortzusetzen. Dieses Angebot nahm die Klägerin allerdings nicht an und sie erhob Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Berlin.

Homeoffice statt Kündigung?

Die Klägerin hat vorgetragen, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt sei, weil die  Arbeitgeberin ihr - anders als z.B. den Außendienstmitarbeitern - keine Weiterbeschäftigung im Homeoffice angeboten habe. Dies wäre ein milderes Mittel zu einer der Änderungskündigung gewesen. Eine Tätigkeit der Klägerin aus dem Homeoffice wäre hier wohl unstreitig möglich gewesen.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass es eine unternehmerische Entscheidung der Geschäftsleitung gewesen sei, die Vertriebstätigkeit insgesamt umzustrukturieren und die neben der Zentrale in Wuppertal noch bestehenden weiteren Niederlassungen zu schließen. Teil dieser unternehmerischen Entscheidung sei es gewesen, die Tätigkeit der Vertriebsassistenten ausschließlich in der Unternehmenszentrale zu konzentrieren. Lediglich für die Außendienstmitarbeiter sei vorgesehen worden, dass diese Arbeit entweder beim Kunden vor Ort oder aus dem Homeoffice erbringen sollten.

Kein Recht auf Homeoffice

Das Arbeitsgericht Berlin hatte der Kündigungsschutzklage im August 2020 noch stattgegeben – ein Urteil, welches im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie und der aufkommenden Diskussion über das Arbeiten im Homeoffice an sich und darüber, inwieweit zukünftig überhaupt noch Büroflächen für Mitarbeiter benötigt werden, viel Beachtung gefunden hat.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg als Berufungsinstanz hat dieses Urteil nun gekippt. Die beklagte Arbeitgeberin hatte in ihrer Berufung vorgebracht, dass das Arbeitsgericht – entgegen ständiger Rechtsprechung – die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der unternehmerischen Entscheidung überprüft habe und damit den den Gerichten  zustehenden Prüfungsmaßstab unzulässig erweitert habe. Teil der unternehmerischen Entscheidung sei es nämlich gewesen, die Assistenztätigkeiten am Standort Wuppertal zu zentralisieren, sodass es nicht darauf ankomme, ob die Klägerin grundsätzlich die Möglichkeit gehabt hätte im Homeoffice zu arbeiten.

Dieser Argumentation ist das Landesarbeitsgericht im Ergebnis gefolgt. Maßstab für die Überprüfung der sozialen Rechtfertigung einer betriebsbedingten Änderungskündigung sei, ob das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen sei und ob der Arbeitgeber sich darauf beschränkt habe, nur solche Änderungen vorzuschlagen, die den Arbeitnehmer am wenigsten beeinträchtigten und die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen müsse.

Die Entscheidung, die Vertriebstätigkeiten in der Zentrale in Wuppertal zu konzentrieren und die Niederlassungen zu schließen, könne nach diesen Maßstäben nicht auf ihre Nachvollziehbarkeit oder Zweckmäßigkeit überprüft werden. Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Entscheidung lägen nicht vor und die von der Arbeitgeberin vorgetragenen Gründe, die zu der Neuorganisation ihrer Vertriebsstruktur geführt hätten, seien nachvollziehbar. Da der Arbeitsort im entschiedenen Fall integraler Teil der unternehmerischen Entscheidung der Arbeitgeberin gewesen sei, brauche nicht entschieden zu werden, ob ein Homeoffice Arbeitsplatz generell als mildere Maßnahme zu einem Wechsel des Arbeitsortes in Betracht komme.

Konsequenzen für die Praxis

Die Entscheidung zeigt, dass die Diskussion um das Arbeiten im Homeoffice lebhaft bleiben dürfte – auch über die Coronavirus-Pandemie hinaus. Ein allgemeines Recht auf Homeoffice für Arbeitnehmer ist abgesehen von befristeten Vorgaben zum Arbeits- bzw. Infektionsschutz derzeit Grundsatz nicht gegeben.

Für Arbeitgeber empfiehlt es sich, bei Kündigungen wegen Standortschließungen immer gut zu begründen, ob und warum eine Tätigkeit in Präsenz an einem anderen Unternehmensstandort erforderlich bzw. unabdingbar ist.