Umfassender Sieg vor dem Landesarbeitsgericht

36 Klageanträge eines Studenten

Verstößt ein Arbeitgeber bei der Kündigung eines Arbeitnehmers gegen Schutzvorschriften, wird er in einem Kündigungsschutzverfahren regelmäßig unterliegen. Dass daraus sogar Entschädigungsansprüche in Höhe von 100.000 Euro entstehen können, für die der Geschäftsführer auch persönlich haftet, zeigt eine aktuelle Entscheidung des LAG München.

Veröffentlicht am: 29.07.2025
Qualifikation: Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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Jährlich werden in Deutschland über 200.000 Kündigungsschutzklagen eingereicht. Mit diesen Klagen wollen Arbeitnehmer feststellen lassen, dass die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber rechtswidrig war. Häufig enden solche Verfahren mit einem Vergleich, der eine Abfindung für den Arbeitnehmer vorsieht. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Arbeitnehmer neben der Feststellung der Rechtswidrigkeit auch zahlreiche Zahlungsansprüche gegen den Arbeitgeber geltend macht. In einer aktuellen Entscheidung musste das Landesarbeitsgericht München über eine solche Klage eines Studenten entscheiden (LAG München, Teilurteil vom 16.04.2025 u. Schlussurteil vom 04.06.2025, Az. 11 Sa 456/23).

Betriebsratsgründung beendet Arbeitsverhältnis

Ein Jurastudent arbeitete als Kellner in der Gastronomie. Als er im Jahr 2021 versuchte, einen Betriebsrat zu gründen, jedoch die Wahlversammlung scheiterte, verweigerte der Arbeitgeber ihm monatelang die Beschäftigung. Erst als der Student Annahmeverzugslohn verlangte, ließ der Arbeitgeber ihn wieder zur Arbeit erscheinen. Allerdings wies er ihm bei seiner Rückkehr eine Tätigkeit in der Küche zu. Diese Aufgabe lehnte der Arbeitnehmer ab, woraufhin der Arbeitgeber ihm wegen Arbeitsverweigerung außerordentlich kündigte.

Gegen diese Kündigung ging der Student im Klagewege vor. Im Verfahren trug der Gastronom vor, bei der Kündigung berücksichtigt zu haben, dass der Student leidlich in Teilzeit und auf Basis einer geringfügigen Beschäftigung tätig gewesen sei. Zudem sei nicht unberücksichtigt geblieben, dass er noch jung und keine Unterhaltspflichten habe.

Zahlungsansprüche gegen den Geschäftsführer

In insgesamt 36 Klageanträgen machte der Jurastudent unter anderem den vollständigen Verdienstausfall, entgangene Trinkgelder, den Wert vergünstigter Speisen und Getränke sowie einen Entschädigungsanspruch aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gelten. Nachdem der Gastronomiebetrieb während des Verfahrens Insolvenz angemeldete, richtete der Student seine Klage auf den Geschäftsführer persönlich.

Mit all seinen Begehren hatte er Erfolg. Es sei hinreichend erkennbar, dass der Kündigungsgrund der Arbeitsverweigerung lediglich vorgeschoben war. Tatsächlicher Anlass der Kündigung sei vielmehr die versuchte Betriebsratswahl gewesen. Dies sei rechtswidrig, weswegen der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den daraus entstanden Schaden ersetzen müsse. Dazu zählten nicht nur der Verdienstausfall, sondern auch das entgangene Trinkgeld und die vergünstigen Speisen, die nach jeder Schicht hätten konsumiert werden können.

Darüber hinaus erhält der Arbeitnehmer eine Entschädigung nach dem AGG. Bereits im Vortrag des Arbeitgebers im Verfahren sei eine Diskriminierung wegen des Alters erkennbar. Zum einen seien Teilzeitbeschäftigte im Betrieb häufig junge Studenten, zum anderen hätten Menschen in seinem Alter statisch seltener Kinder und damit Unterhaltspflichten. Die Berücksichtigung beider Umstände sei unzulässig.

Arbeitgeberkündigungen

Arbeitgeberseitige Kündigungen bergen erhebliche Risiken, insbesondere dann, wenn sie nicht rechtmäßig erfolgen. Der Fall vor dem LAG München zeigt, welche weitreichenden Folgen Verstöße gegen das Arbeitsrecht mit sich ziehen können. So nimmt der Jurastudent den Geschäftsführer berechtigterweise persönlich in Anspruch. Da im Rahmen seiner Kündigung gegen Schutzgesetze verstoßen worden ist, ist die Haftungsbeschränkung des GmbH-Geschäftsführers durchbrochen. Dieser muss nun mit seinem Privatvermögen haften.