Kinderehen — welche Rechte haben Minderjährige?

Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Kinderehen unter Beschuss der Familienrechtsanwälte

Veröffentlicht am: 31.03.2017
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Kinderehen unter Beschuss der Familienrechtsanwälte

Ein Gastbeitrag von Fiona Schönbohm

Der Gesetzesentwurf zur Bekämpfung von Kinderehen zielt nach Ansicht der Familienrechtler des deutschen Anwaltsvereins weit über’s Ziel hinaus und ist mit deutschem und internationalen Recht nicht vereinbar.

Die Bundesregierung legt den Entwurf eines neues Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen vor. Nicht nur der deutsche Anwaltsverein (DAV) in Berlin kritisiert die konkreten Vorschläge massiv. Wie viel Entmündigung ist zum Schutz Minderjähriger in Ordnung — und wo gebietet das Grundgesetz Einhalt?

Verständliches Motiv, aber...

Man wird dem Gesetzesvorlagen ein billigenswertes Motiv nicht absprechen dürfen. Mit der zunehmenden Einreise minderjähriger Ehepartner sieht sich die Politik jedenfalls neuen gesellschaftlichen Spannungen ausgesetzt. Die Folgen einer Ehe sind sogar vielen Erwachsenen offensichtlich nicht klar. Familienrechtsanwälten geht es in Deutschland hervorragend, Scheidungen laufen auf Hochkonjunktur. Selbstverständlich müssen Kinder und Jugendliche bestmöglich vor den rechtlich mannigfaltigen Folgen einer Eheschließung ausreichend geschützt werden.

Aktuelle Rechtslage

Derzeit regelt § 1303 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) die Ehemündigkeit. Die Ehe soll danach nicht vor Eintritt der Volljährigkeit abgeschlossen werden. Auf Antrag kann das Familiengericht aber eine Ausnahme von dieser Vorschrift machen, wenn der Antragsteller das 16. Lebensjahr vollendet hat und sein künftiger Ehepartner volljährig ist.

Eine im In- oder Ausland geschlossene Ehe, die entgegen dieser Vorschrift geschlossen wurde, kann gemäß § 1314 BGB aufgehoben werden. Die Entscheidung liegt aber grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Das orientiert sich im Rahmen einer Einzelfallprüfung an den konkreten Umständen des Einzelfalls, etwa an der Einsichtsfähigkeit der Betroffenen, an dem Verlauf der Ehe und an den Konsequenzen im Falle einer Auflösung.

Vorgesehene Veränderungen

Der neue Gesetzesentwurf sieht vor, dass Ausnahmen nach § 1303 BGB abgeschafft werden. Eine Ehe soll immer erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres geschlossen werden. Wurde eine Ehe mit einem Beteiligten geschlossen, bevor dieser das 16. Lebensjahr vollendet hatte, soll die Ehe grundsätzlich für nichtig erklärt werden.

War einer der Beteiligten bei Eheschließung mindestens 16 Jahre alt, aber noch nicht 18 Jahre alt, soll die Ehe aufhebbar sein. Die Behörde soll verpflichtet sein, diesen Antrag auch dann zu stellen, wenn beide Ehegatten mittlerweile volljährig geworden sind.

Verheiratete Minderjährige sollen darüber hinaus nicht mehr in der Lage sein dürfen, einen gemeinsamen Wohnsitz zu begründen.

Auch Minderjährige haben Grundrechte

Damit schieße der Gesetzesentwurf weit über das Ziel eines Minderjährigenschutzes hinaus, so jedenfalls die Rechtsanwälte für Familienrecht im DAV. Denn auch Minderjährige und Jugendliche genießen den Schutz des Grundgesetzes.

Die Beteiligten haben einerseits ein Selbstbestimmungsrecht. Sie sind in ihrer Entscheidung soweit frei, wie ihre individuelle Reife und Einsichtsfähigkeit es zulässt. Eine solche Einzelfallentscheidung wird den Gerichten durch die Einführung der grundsätzlichen Nichtigkeit minderjähriger Ehen unmöglich gemacht. Das gilt vor allem dann, wenn die Beteiligten mittlerweile volljährig sind. Deren Ehe unterliegt grundsätzlich dem grundrechtlichen Schutz der Ehe als Institution.

Eine Einzelfallprüfung fordert nicht zuletzt auch das internationale Recht: Gemäß Artikel 3 und 12 der UN-Kinderrechtskonvention muss das individuelle Wohl des Kindes Vorrang haben und der Autonomie des Kindes Respekt gezollt werden.

Schließlich Schwächung der Rechtsposition

Laut DAV brächten die Regelungen aber auch gesellschaftlich nachteilige Folgen für die Beteiligten. Wird eine Ehe für nichtig erklärt, verlieren die Betroffenen erbrechtliche und unterhaltsrechtliche Ansprüche mit einem Schlag. Auch der Personenstatus für aus einer minderjährigen Ehe hervorgegangene Kinder sei betroffen.

Darüber hinaus wären die Betroffenen unter Umständen gezwungen, in für sie möglicherweise nachteilige Familienverhältnisse zurückzukehren. Ohne jedenfalls die Möglichkeit einer Ausnahmeregelung sei der Entwurf daher nicht nur mit dem geltenden Recht unvereinbar, sondern auch politisch nicht wünschenswert.