Mehr Kündigungsschutz für Schwangere

EuGH findet 2 Wochen Klagefrist zu kurz

Nach der Mutterschutzrichtlinie muss einer Schwangeren eine angemessene Frist zur Einreichung einer Kündigungsschutzklage gewährt werden. Der EuGH sieht die dafür vorgesehenen zwei Wochen des deutschen Kündigungsschutzrechts als nicht ausreichend an.

Veröffentlicht am: 06.07.2024
Qualifikation: Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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Wird eine Klage verspätet eingereicht, wird sie in der Regel von den Gerichten zurückgewiesen. Dies gilt auch bei Kündigungsschutzklagen vor den Arbeitsgerichten. Das Arbeitsgericht (ArbG) Mainz hatte vor kurzem aber Zweifel an diesem Grundsatz. Eine Arbeitnehmerin reichte nach etwa 7 Wochen eine Kündigungsschutzklage ein. Was in anderen Fällen unstreitig abgewiesen worden wäre, führte hier zu einer Vorlage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 27.06.2024 – C-284/23).

Schwangerschaft zunächst nicht erkannt

Die Arbeitnehmerin berief sich in ihrer Klage auf das Kündigungsverbot für Schwangere. Sie habe zum Zeitpunkt der Kündigung sowie in den ersten Wochen danach nichts von ihrer Schwangerschaft gewusst und konnte daher nicht rechtzeitig gegen die Kündigung vorgehen. Und tatsächlich äußerte auch das ArbG Mainz Zweifel am Vorliegen einer verspäteten Kündigungsschutzklage.

Dass schwangere Frauen im Berufsleben einen intensiveren Schutz benötigen, ist allgemein, aber auch rechtlich anerkannt. So schützt das Mutterschutzgesetz (MuSchG) (werdende) Mütter vor einer Reihe von Eventualitäten am Arbeitsplatz. Insbesondere beinhaltet das MuSchG ein Kündigungsverbot von Schwangeren. Um dem gerecht zu werden, regelt das Kündigungsschutzgesetz (KSchG), dass eine schwangere Arbeitnehmerin im Falle einer Kündigung zusätzlich zu der üblichen drei-Wochen-Klagefrist, zwei Wochen mehr Zeit hat, um eine Kündigungsschutzklage zu erheben. Dafür darf sie allerdings zum Zeitpunkt der drei-Wochen-Frist nichts von der Schwangerschaft gewusst haben.

Zwar traf Letzteres bei der Arbeitnehmerin aus Mainz zu, jedoch verpasste sie auch die zusätzlichen zwei Wochen. Dennoch legte sie die Klage beim ArbG Mainz ein. Eigentlich hätte das ArbG diese als verspätet zurückweisen müssen, allerdings zweifelten die Richter, ob die zwei-Wochen-Frist des deutschen Kündigungsrechts mit der Mutterschutzrichtlinie (Richtlinie 92/85/EWG) vereinbar ist. Zur Klärung dieser Frage wurde der EuGH angerufen.

EuGH: 2 Wochen wohl zu kurz

Der EuGH machte in seiner Entscheidung deutlich, dass er zwar grundsätzlich das Festlegen einer Frist nicht beanstandet, dass die Frist von zwei Wochen allerdings zu kurz ist. Dies beurteilte der Gerichtshof vor allem aus dem Vergleich mit der drei-Wochen-Frist aus § 4 KSchG. Hat die Arbeitnehmerin zum Zeitpunkt ihrer Kündigung bereits Kenntnis von ihrer Schwangerschaft, hat sie drei Wochen Zeit, um eine darauf ausgerichtete Kündigungsschutzklage einzulegen. Erfährt sie allerdings erst danach von der Schwangerschaft und hat den Grund ihrer Unkenntnis nicht zu vertreten, beträgt die Klagefrist nur zwei Wochen. Darüber hinaus erscheine die Frist auch situationsbedingt zu kurz. Der Arbeitnehmerin sei es, dadurch dass sie sich in den ersten Wochen ihrer Schwangerschaft befindet, deutlich erschwert, sich hinreichend rechtlich beraten zu lassen. Zumal die verspätete Klage auch noch eines zusätzlichen Antrags bedarf.

Unbegrenzte Klagefrist für Schwangere?

Die Entscheidung des EuGH dürfte nicht überraschend sein. Bereits in einem früheren Verfahren beanstandeten die Richter des EuGH eine zu kurze Klagefrist für Schwangere (EuGH, Urteil vom 29.11.2009, C-63/08). Dennoch kann sich die Arbeitnehmerin aus Mainz noch nicht zurücklehnen. Vielmehr erteilte der EuGH dem ArbG Mainz den Auftrag, zu prüfen, ob seine Bedenken im vorgelegten Fall tatsächlich berechtigt sind. Das ArbG Mainz muss nun also feststellen, ob es der Arbeitnehmerin durch ihre Schwangerschaft erschwert war, sich rechtlich zum Antrag auf verspätete Klagezulassung beraten zu lassen.

Die Wirksamkeit von Kündigungen ist eine der häufigsten Fragen, mit denen sich Arbeitsgerichte beschäftigen. Trotz aller Vorkehrungen können Arbeitgeber aber nicht alle Umstände einkalkulieren. So auch eine bislang für alle Beteiligten unbekannte Schwangerschaft. Im Fall des ArbG Mainz bleibt nun eine endgültige Entscheidung abzuwarten. Kann die Arbeitnehmerin ihre Erschwernisse jedoch hinreichend darlegen, stehen die Chancen gut, dass die Klage zugelassen wird.