Persönlichkeitsrecht für Unternehmen?

Schutz vor negativer Berichterstattung

Veröffentlicht am: 06.07.2016
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Schutz vor negativer Berichterstattung

Ein Gastbeitrag von Desiree-Denise Szitnick

Natürliche Personen werden durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht vor staatlichen und (mittelbar) privaten Eingriffen – z.B. in Form bestimmter negativer Äußerungen - geschützt. Dieses leitet sich aus den Grundrechten der Menschenwürde und der allgemeinen Handlungsfreiheit ab. Aber kann dieses Recht auch einer juristischen Person, einem Unternehmen, zugesprochen werden?

Unternehmenspersönlichkeit – was ist das überhaupt?

Schließlich sehen sich insbesonere Unternehmen kritischer Berichterstattung - z.B. im Internet - ausgesetzt, z.B. indem man ihr Geschäftsmodell als „betrügerisch“ bezeichnet oder sie als „Abzocker“ oder „Kredithaie“ betitelt. Privatpersonen können sich bei Beleidigungen oder übler Nachrede nicht nur durch eine Strafanzeige, sondern auch im Zuge des Zivilrechtsweges gegen Eingriffe von Dritten zur Wehr setzen. Aber inwieweit sich ein Unternehmen auf ein Persönlichkeitsrecht berufen kann, war lange Zeit nicht eindeutig geklärt.  

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes

Der Bundesgerichtshof (BGH) bejaht seit längerem ein solches Unternehmenspersönlichkeitsrecht und hat dazu folgende Grundsätze entwickelt:  

  • Das Persönlichkeitsrecht von Unternehmen setzt sich nicht, wie bei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, aus Artikel 2 I GG iVm. Artikel 1 I GG zusammen – vielmehr kann sich eine juristische Person nur auf ihre freie Entfaltung aus Artikel 2 I GG berufen. Für Unternehmen kann es keinen Bereich des Intimlebens geben und auch kann eine Menschenwürde nicht bejaht werden. Damit ist das unternehmerische Persönlichkeitsrecht schwächer ausgestaltet, als das allgemeine Persönlichkeitsrecht.
  • Dazu kommt noch, dass Unternehmen regelmäßig am öffentlichen Marktgeschehen teilnehmen und sich schon daraus eine Schwächung des Persönlichkeitsrechts ableiten lässt. Der Grundgedanke lautet: wer sich bewusst im öffentlichen Bereich aufhält, maßgeblich durch seine Stellung und Größe das Wirtschaftsleben prägt und diese Position nutzt, der gibt mehr Raum für Kritik und hat diese auch in einem größeren Maße hinzunehmen.
  • Das Unternehmenspersönlichkeitsrecht wird auch im Rahmen von §§823 I, 1004 BGB geschützt und entfaltet damit zivilrechtliche Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche bei dem Verletzten.

Im Ergebnis muss im Bereich von Meinungsäußerungen daher eine Abwägung stattfinden. Das schwächere Unternehmenspersönlichkeitsrecht steht dem stärkeren Recht auf Meinungsfreiheit gegenüber.

In einer Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2009  werden die Kriterien einer Abwägung besonders deutlich: Hier waren die beanstandeten Äußerungen geeignet, das klagende Unternehmen in seinem öffentlichen Ansehen erheblich zu beeinträchtigen und damit möglicherweise ihre geschäftlichen Tätigkeiten zu erschweren. Solche Eingriffe in die Unternehmenspersönlichkeit müssen nach dieser Rechtsprechung nicht mehr hingenommen werden und verwirken in dem Fall das Recht auf freie Meinungsäußerungen.  

Freie Meinungsäußerungen vs. unwahre Tatsachenbehauptungen

Für die Frage, welche negativen Äußerungen ein Unternehmen hinnehmen muss, ist insbesondere die Abgrenzung zwischen freier Meinungsäußerung und unwahren Tatsachenbehauptungen von Bedeutung. Auch hierfür hat die Rechtsprechung Kriterien aufgestellt. Die rechtliche Grenze des Erlaubten wird regelmäßig dann überschritten, wenn nicht mehr die reine Meinungsäußerung im Vordergrund steht, sondern der Kritik jeglicher Sachlichkeit fehlt. Unwahre Tatsachenbehauptungen sind jedenfalls nicht vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit umfasst, während wahre Tatsachenbehauptungen – auch wenn sie negativ sind – vom Unternehmen hingenommen werden müssen. Mit anderen Worten: Lügen und sich dann auf die Meinungsfreiheit berufen funktioniert in der Regel nicht.

Standpunkt des Bundesverfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Frage, ob Unternehmen ein eigenes Persönlichkeitsrecht zukommt, lange offen gelassen. Strittig war stets, ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht seinem Wesen nach auf juristische Personen anwendbar ist oder ob sein enger Bezug zur Menschenwürde dem entgegensteht. Im Jahr 2002 nahm das BverfG erstmal eindeutig Stellung: Ein Unternehmenspersönlichkeitsrecht wurde anerkannt und im Schutz des gesprochenen Wortes von Unternehmen zugesagt. Eine weitere Entscheidung aus 2007 legte das Recht auf informelle Selbstbestimmung für Unternehmen fest. Abzustellen sei in diesem Zusammenhang darauf, ob die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens gefährdet wird. Insoweit ist das Unternehmenspersönlichkeitsrecht seitdem auch verfassungsrechtlich abgesegnet.

Fazit – Unternehmenspersönlichkeit ja, nein, jein

Ein schwaches, aber durch Rechtsprechung gefestigtes Unternehmenspersönlichkeitsrecht ist anerkannt und auch verfassungsrechtlich bestätigt. Allerdings gibt es noch einen großen Spielraum für die konkrete Ausgestaltung dieses Rechts.

Häufiger als beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht wird das Recht der Meinungsfreiheit dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht vorgehen. Trotzdem ist stets darauf zu achten, ob Äußerungen den Bereich der freien Meinungsäußerungen verlassen. Schmähkritik oder unwahre Tatsachenbehauptungen fallen nicht mehr in den Schutzbereich und können auf Seiten von Unternehmen insbesondere zivilrechtliche Unterlassungsansprüche begründen.  

Weitere Informationen darüber, wie Unternehmen ihren guten Ruf schützen können, finden Sie hier: Reputationsrecht & Reputationsmanagement

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