Plattformhaftung im E-Commerce

Mehr Verantwortung für Amazon & Co.

OLG Frankfurt a. M.: Marktplatzbetreiber müssen bei Kenntnis von Verstößen gegen formale Marktverhaltensregeln proaktiv prüfen und handeln – ein bedeutender Schritt für die Verantwortlichkeit von Online-Plattformen.

Veröffentlicht am: 20.02.2024
Qualifikation: Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
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In einer Grundsatzentscheidung hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main nun entschieden, dass E-Commerce Marktplatzbetreiber wie Amazon weitreichende Prüf- und Beseitigungspflichten treffen, wenn sie Kenntnis über Verstöße gegen formale Marktverhaltensregeln erlangen (Urteil vom 21.12.2023 – 6 U 154/22).

Hinweis auf Rechtsverstöße

Ausgangspunkt des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht bildete zunächst ein Hinweis der Wettbewerbszentrale gegenüber Amazon. Die Wettbewerbszentrale machte Amazon dabei auf Rechtsverstöße gegen den absoluten EU-Bezeichnungsschutz für Milchprodukte im üblichen Notice & Take Down-Verfahren aufmerksam. Amazon reagierte daraufhin auch und entfernte die gemeldeten Angebote aus dem Sortiment des Online-Marktplatzes.

Unzulässige Bezeichnungen von Milchersatzprodukten

Allerdings wurden von anderen Anbietern ebenfalls weitere vegane Milchersatzprodukte mit denselben unzulässigen Bezeichnungen ("Sojamilch", "Hafermilch" und "Reismilch") auf dem Marketplace angeboten, die gegen wettbewerbsrechtliche Vorgaben verstießen. Dagegen ging Amazon nicht vor. Die Wettbewerbszentrale dagegen vertrat den Standpunkt, dass Amazon auch gegen diese Angebote vorgehen müsse. Letztlich landete der Rechtsstreit vor Gericht.

Weitreichendere Pflichten von Online-Marktplätzen

Schließlich entschied das Oberlandesgericht in Frankfurt am Main, dass Marktplatzbetreiber wie Amazon, die auf Verstöße gegen formale Marktverhaltensregeln von Drittanbietern hingewiesen werden, auch weitere Angebote auf gleichartige Verstöße prüfen und gegebenenfalls beseitigen müssen.

Mit seinem bisherigen Vorgehen habe Amazon seiner wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht nicht genügt. Die Prüf- und Erfolgsabwendungspflicht des Marktplatzbetreibers bestehe nicht nur bei jugendgefährdenden, volksverhetzenden oder gewaltverherrlichenden Inhalten, sondern auch bei Verstößen gegen formale Marktverhaltensregeln, wie hier dem EU-Bezeichnungsschutz für Milchprodukte.

OLG Frankfurt stärkt Prüfpflichten von Marktplatzbetreibern

Auf den Hinweis der Wettbewerbszentrale hin hätte Amazon damit bereits eine Prüfungs- und Beseitigungspflicht gehabt, so die Auffassung des Gerichts. Insgesamt begreift das Gericht damit die Pflichten der Marktplatzbetreiber umfassender und weitreichender – Ein Erfolg für die Wettbewerbszentrale.