Scheidung auf Knopfdruck

Die Versuchung für Scheidungsanwälte

Die Digitalisierung des Rechts sorgt für Effizienz - und lustige Anekdoten.

Veröffentlicht am: 17.04.2024
Qualifikation: Rechtsanwalt & Mediator
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Scheidungsverfahren sind oft zermürbend - sowohl für die betroffenen Ehegatten als auch für die beauftragten Scheidungsanwälte. Während man als Berater in Deutschland auf das eigene Verhandlungsgeschick und die Vernunft der Mandanten angewiesen ist, um die Scheidung schnell über die Bühne zu bringen, kann man in England die Ehe online durch Knopfdruck innerhalb kürzester Zeit beenden. Das war für einen Angestellten der berühmten Londoner Scheidungsanwältin Ayesha Vardag offenbar so verlockend, dass er mitten im Klärungsprozess hinsichtlich der Scheidungsmodalitäten in einem Online-Scheidungsportal einfach mal den Button "Scheidungsantrag" drückte. Gute 20 Minuten später war die Ehe und das Mandat beendet.

Streit um die Gültigkeit der Scheidung

Die von dem Anwalt vertretene Ehefrau fand diese Initiative aber nicht so toll. Vermutlich hätte sie gerne noch weiter gestritten. Also verkaufte der Anwalt sein beherztes Eingreifen als "Versehen". Er habe den Scheidungs-Button gar nicht drücken und eigentlich nur eine andere Mandantenakte aufrufen wollen. Der angerufene High Court glaubte das nicht und lehnte eine Korrektur ab. Schließlich sei das Online-Scheidungsportal so gestaltet, dass ein versehentlicher Scheidungsantrag nicht wahrscheinlich sei. Und außerdem gebe es ein starkes öffentliches Interesse an der Sicherheit und Endgültigkeit der Scheidung.

Ob Ayesha Vardag sich über die unverhoffte PR für ihre Kanzlei freut, ist schwer zu sagen. Bisher galt sie als bestbezahlte Scheidungsanwältin Londons. Nun hat sie auch den Titel für die schnellste Scheidungskanzlei Englands.

Online-Scheidung in Deutschland?

Wer sich hierzulande im Internet über Scheidungen informiert, finden schnell Angebote zur sogenannten Online-Scheidung. Dahinter verbirgt sich jedoch keine digitale Beendigung der Ehe, sondern allenfalls eine zeitgemäßere Anbahnung des Scheidungsverfahrens, nämlich die digitale Kontaktaufnahme mit dem Scheidungsanwalt und die Datenerfassung durch diesen. Nach wie vor muss aber natürlich ein Scheidungsantrag durch den Scheidungsanwalt bei Gericht gestellt werden und einen analogen Scheidungstermin gibt es auch noch. Auch hinsichtlich der Kosten bringt die Online-Scheidung grundsätzlich auch keine Vorteile. Ein Internet-Portal zur spontanen Beendigung von Ehen nach englischem Vorbild wäre natürlich toll - solange es nur vom Scheidungsanwalt bedient wird. Denn der weiß ja, was das Beste für die Mandantschaft ist.