Steuerhinterziehung im Cum-Ex-Skandal um Hanno Berger

Gesamtstrafe von bis zu 15 Jahren möglich

Ein zweites Urteil im Cum-Ex-Skandal um Hanno Berger wurde gestern beschlossen. Auch diesmal hielten die Richter eine mehrjährige Haftstrafe für angemessen. Gemeinsam mit dem ersten Urteil könnte es für Berger nun zu einer Gesamtstrafe von 15 Jahren kommen. Warum das so ist, beleuchten wir in diesem Beitrag.

Veröffentlicht am: 31.05.2023
Von: Anna-Maria Blömer
Qualifikation: Wissenschaftliche Mitarbeiterin in Hamburg
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Die Steuerhinterziehungen in Höhe von 113 Millionen EUR haben bereits in den Jahren 2006 bis 2008 stattgefunden. Erst Jahre später wurde „Mister Cum-Ex“ – Dr. Hanno Berger – für die steuerrechtlich unzulässigen Taten zur Rechenschaft gezogen. Bereits im vergangenen Jahr wurde der 72-Jährige vom Landgericht Bonn wegen besonders schwerer Steuerhinterziehung in drei Fällen zu acht Jahren Haft verurteilt.

Dazu soll sich direkt die nächste Haftstrafe reihen, die nun vom Landgericht Wiesbaden verhängt wurde. Auch hier plädierte man auf eine Haftstrafe, diesmal in Höhe von acht Jahren und drei Monaten (Urteil vom 30.05.2023, Az. 6 KLs – 1111 Js 18753/21). Insgesamt könnte sich somit eine Gesamtstrafe von bis zu 15 Jahren Haft bilden – vorausgesetzt, Bergers Revision gegen das Bonner Urteil scheitert vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Aber wie kam es überhaupt so weit?

Früher Steuerbeamter – heute Steuerhinterzieher

Hinter der Steuerhinterziehung steckte ein ausgeklügeltes „Geschäftsmodell“. Berger hatte gemeinsam mit Banken, Fonds und Finanzinvestoren jahrelang die Finanzbehörden zur Rückerstattung von eigentlich nie gezahlten Kapitalertragsteuern veranlasst – inklusive Solidaritätszuschlag. Als ehemaliger Steuerprüfer und Steueranwalt hatte er ein gutes Auge für solche „Steuerschlupflöcher“. Erfunden hat Berger das Modell zwar nicht, er gilt aber als Wegbereiter der Cum-Ex in Deutschland.

Berger und seine Transaktionspartner ergaunerten unberechtigte Steuerrückzahlungen in Höhe von 113 Millionen EUR. Dafür handelten sie rund um den für die Dividendenausschüttung maßgeblichen Stichtag mit Aktien und Derivaten und ließen sich anschließend Steuern mehrfach erstatten, während sie diese im Voraus nur ein einziges Mal abgeführt hatten. Im Laufe der Jahre wurden so Dax-Aktien im Wert von 15,8 Milliarden EUR gehandelt.

Der Fiskus wurde durch diese Cum-Ex Geschäfte in den Jahren 2006 bis 2011 um mindestens 10 Milliarden Euro betrogen.

Verurteilung wegen Steuerhinterziehung erst Jahre später

Eine Verurteilung in Deutschland erfolgte erst Jahre später, da sich Berger zwischenzeitlich in die Schweiz geflüchtet hatte. Seine Auslieferung erfolgte erst im Jahr 2022. Der Zeitraum, den Berger in der Schweiz in Auslieferungshaft verbracht hat, wird den Richtern zufolge auf das verkündete Strafmaß angerechnet. Neben der Haftstrafe haben die Richter außerdem entschieden, Taterträge in Höhe von 1,1 Millionen EUR von Bergers Vermögen einzuziehen.

Berger selbst wies die steuerstrafrechtlichen Vorwürfe konsequent zurück und beharrte darauf, Opfer eines Justizskandals geworden zu sein.

10 Jahre Haft vs. Freispruch

Die Anträge von der Staatsanwaltschaft und dem Strafverteidiger hätten im ersten Urteil unterschiedlicher nicht sein können: Die Staatsanwaltschaft forderte eine Haftstrafe von 10 Jahren und 6 Monaten, wohingegen der Verteidiger Bergers auf Freispruch plädierte. Sein Argument, dass die Geschäfte zum Zeitpunkt der Abwicklung rechtlich zulässig gewesen seien, sollte Berger vor der Freiheitsstrafe jedoch nicht bewahren.

Ganz abwegig war das Argument der damaligen Verteidigung nicht, denn der Gesetzgeber setzte den Cum-Ex-Transaktionen erst im Jahr 2012 ein Ende, indem er die Steuerabzugsverpflichtung von den Emittenten auf die Depotbanken verlagerte. Als strafbare Steuerhinterziehung wurde das „Geschäftsmodell“ vom BGH sogar erst im Jahr 2021 qualifiziert (Urteil vom 28.07.2021, Az. 1 StR 519/20). Ein Jahr später dann auch vom Bundesfinanzhof (Urteil vom 02.02.2022; Az. I R 22/20).

Wie hoch ist die Strafe bei Steuerhinterziehung?

Die Strafe bei Steuerhinterziehung variiert je nach hinterzogenem Betrag von einer Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren – in besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung bis zu zehn Jahren. Als Leitlinien für das konkrete Strafmaß gelten folgende Grundsätze:

  1. hinterzogene Steuer bis 50.000 EUR: Geldstrafe
  2. hinterzogene Steuer von mehr als 50.000 EUR: Haftstrafe bei besonders schwerer Steuerhinterziehung, ggf. Aussetzung zur Bewährung    
  3. hinterzogene Steuer von mehr als 1 Millionen EUR: Freiheitsstrafe und öffentliche Hauptverhandlung zwingend (kein Strafbefehl möglich)

Sollte das Urteil aus Bonn nach der Revision beim BGH rechtskräftig werden, kommt es zur Bildung einer Gesamtstrafe in Form eines nachträglichen Beschlusses durch das Gericht, welches Berger zur höheren Strafe verurteilte.