Streit um die Einsetzung der Schlusserben
Auslegung des Ehegattentestaments
Ehegatten, die ihre Kinder als Schlusserben einsetzen, beabsichtigen das regelmäßig nicht nur für den Fall, dass die Eltern gleichzeitig versterben.
Beim typischen gemeinschaftlichen Testament von Ehegatten, setzen sich diese gegenseitig zu Alleinerben und die gemeinsamen Kinder zu Schlusserben ein. Dass man dabei regelmäßig nicht unterstellen kann, die Kinder seien nur beim gleichzeitigen Versterben der Eltern erbberechtigt , hat das Oberlandesgericht Brandenburg klargestellt (OLG Brandenburg, Beschluss vom 7. Juli 2025 - 3 W 151/24).
Handschriftliches Testament aus DDR-Zeiten
In dem Fall ging es um die Erbschaft nach einem verstorbenen Witwer, der fünf Abkömmlinge hinterließ. Als dessen Ehefrau zuvor verstarb, hatte niemand beim Nachlassgericht ein Testament abgegeben. Entsprechend wurde im Erbscheinverfahren ein gemeinschaftlicher Erbschein nach der gesetzlichen Erbfolge ausgestellt. Nach dem Tod des Vaters/Ehemanns tauchte dann ein gemeinschaftliches Testament der Eheleute auf, das handschriftlich am 13. Dezember 1987 in der DDR errichtet wurde.
Wortlaut des Testaments der Eheleute
Hiermit legen wir fest, daß im Falle des Ablebens eines Ehepartners, alle materiellen Güter, sowie Sparguthaben und Bargeld dem Hinterbliebenen Ehepartner zukommt. Kinder erhalten in diesem Fall nichts aus der Hinterlassenschaft.
Beim Ableben beider Ehepartner wird die Hinterlassenschaft an materiellen und finanziellen G+tern an folgende Kinder zu gleichen Teilen aufgeteilt.
1) … (Name)
2) … (Name)
3) … (Name)
Daraufhin wurde der frühere Erbschein mit der gesetzlichen Erbfolge eingezogen. Das führte zum Erbstreit unter den Angehörigen, der schließlich beim OLG Brandenburg landete.
Kein Berliner Testament?
Im streitigen Erbscheinverfahren wurde unter anderem vorgetragen, dass es sich bei der handschriftlichen letztwilligen Verfügung gar nicht um ein sogenanntes Berliner Testament handele. Beim Berliner Testament würden die Kinder als Schlusserben nach dem Tod des letztversterbenden Elternteils zum Zuge kommen. Das vorliegende Testament regele aber stattdessen nur die Erbfolge für den Fall des gleichzeitigen Versterbens. Da die testierenden Eheleute aber gerade nicht zum gleichen Zeitpunkt verstorben seien, hätte der Erblasser nach dem Tod seiner Frau neu testieren müssen. Auch hätte nach dem Tod der Ehefrau der Pflichtteil geregelt werden müssen.
Die Auslegung der letztwilligen Verfügung
Das Nachlassgericht stellt zunächst fest, dass das Testament auch nach den Vorschriften des Erbrechts der DDR formwirksam errichtet wurde. Es wurde von der Ehefrau eigenhändig verfasst und sodann von ihr und dem Ehemann unterschrieben. Die testierenden Eheleute, so das Gericht, haben sich wechselseitig zu ihren jeweiligen Alleinerben eingesetzt und die namentlich genannten drei Kinder zu ihren Schlusserben. Dass diese Schlusserbeneinsetzung nur im Fall des gleichzeitigen Versterbens gelten sollte, könne man weder dem Wortlaut entnehmen, noch könne man im Wege der Testamentsauslegung darauf kommen.
Für die Auslegung letztwilliger Verfügungen gelte der Grundsatz, dass "nur dem Willen Geltung verschafft werden kann, der im Testament zum Ausdruck gelangt, dort also eine, wenn auch noch so geringe Grundlage findet." In diesem Zusammenhang wies das Nachlassgericht darauf hin, dass Ehegatten in der Regel nicht den (sehr seltenen Fall) des gemeinsamen Versterbens regeln wollen.
Streitpotenzial im Laientestament
Die Entscheidung des OLG Brandenburg ist folgerichtig. Aus Sicht des Erblasser und der testamentarischen Erben ist die Angelegenheit noch einmal gut gegangen, da die Argumentation der nicht zum Zuge gekommen Kinder tatsächlich etwas abenteuerlich war. Der Fall zeigt aber, wie jede Ungenauigkeit oder Mehrdeutigkeit im Testament für den Versuch genutzt werden kann, die Erbfolge in die gewünschte Richtung zu verschieben. Für ein rechtssicheres Testament ohne Angriffsmöglichkeiten muss nicht immer ein Notar bemüht werden. Auch ein handschriftliches Testament kann maximal “wasserdicht” sein, wenn es von einem Rechtsanwalt bzw. Fachanwalt für Erbrecht entworfen und dann formell korrekt errichtet wird.
Video: Handschriftliches Testament
Rechtsanwalt Bernfried Rose erklärt in diesem Video, worauf Eheleute bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Berliner Testaments achten müssen.
