Testament unklar formuliert

Auslegung der Erbeinsetzung

Manchen Menschen fällt es schwer, sich schon bei der Errichtung des Testaments auf konkrete Erben festzulegen. Eine zu unbestimmte Erbeinsetzung ist jedoch unwirksam.

Veröffentlicht am: 02.09.2025
Qualifikation: Rechtsanwältin
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Wer seinen letzten Willen “frei Schnauze" formuliert, gibt regelmäßig tiefe Einblicke in seine Beweggründe für die einzelnen Regelungen. Rechtssicherer wird das Testament dadurch leider nicht. Das Oberlandesgericht Karlsruhe musste vor kurzem eine sehr vage Erbeinsetzung auslegen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10. Juli 2025 - 14 W 36/24 Wx).

Nacherbe soll Stiefsohn gut versorgen

In dem Fall hatte ein Ehepaar 1970 ein handschriftliches Testament als sogenanntes Berliner Testament errichtet. Alleiniger Schlusserbe sollte der behinderte Sohn der Ehefrau aus einer früheren Beziehung sein. Nachdem die Frau verstorben war setzte der Ehemann 1994 ein neues Einzeltestament auf, in dem er erneut seinen Stiefsohn als Alleinerben einsetzte. Nacherben sollten diejenigen werden, “die es besonders gut mit E (dem Sohn) konnten". Damit wollte der Stiefvater eine gute Versorgung des Sohnes erreichen, etwa durch mietfreies Wohnen mit Kost und Wäsche sowie eigenem Zimmer - von einer geeigneten noch zu findenden Familie.

Betreuerin will Erbe werden

Eine solche Familie fand sich jedoch nicht, sodass für den Stiefsohn eine gesetzliche Betreuerin bestellt wurde. Als der Betreute verstarb, wähnte sich die Betreuerin in der Rolle der Nacherbin und beantragte einen Erbschein zu ihren Gunsten. Da sie damit beim Nachlassgericht keinen Erfolg hatte, rief sie das OLG Karlsruhe an. Doch auch dort wurde ihre Hoffnung auf die Erbschaft enttäuscht.

Die Bestimmung des Erben im Einzeltestament des Stiefvaters, so das Gericht, sei nicht hinreichen bestimmt. Die konkrete Formulierung verstoße gegen das Gesetz (§ 2065 Absatz 2 BGB), nach dem der Erbe so genau im Testament bezeichnet werden muss, dass beim Erbfall eine sachkundige Person anhand objektiver Kriterien die Erben ermitteln kann. 

§ 2065 Absatz 2 BGB (Bestimmung der Erben durch Dritte)

Der Erblasser kann die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung erhalten soll, sowie die Bestimmung des Gegenstands der Zuwendung nicht einem anderen überlassen.

Dass Nacherbe werden soll, wer es besonders gut mit dem Vorerben kann, wird diesen Anforderungen nach Auffassung des Gerichts nicht gerecht. Die Formulierung sei schlicht zu unbestimmt und man könne damit nicht entscheiden, wer letztlich gemeint sei. 

Die Auslegung des Testaments hilft da nicht weiter. Unklar, so das OLG bleibt, 

  • ob Menschen aus dem sozialen Nahbereich, beruflich Pflegende oder eine potenzielle Ersatzfamilie gemeint waren,
  • ob eine “geeignete Familie", die den Stiefsohn versorgt, tatsächlich gefunden wird.
  • ob auch außenstehende Personen, wie eine Betreuerin, gemeint sein könnten.

Unwirksamkeit statt Auslegung

Der Fall ist durchaus von praktischer Relevanz im erbrechtlichen Beratungsalltag. Nicht wenige Erblasser formulieren die Erbeinsetzung im letzten Willen bewusst vage und knüpfen sie an bestimmte Voraussetzungen. Damit verbinden Sie die Hoffnung, in ihrem Sinne auf den Kreis potenzieller Erben einzuwirken. Sie wollen, dass man sich “um sie kümmert”, sie “liebevoll pflegt” etc. Der Erblasser vertraut dann darauf, dass z.B. das Nachlassgericht dafür sorgt, dass die “richtige” Person Erbe wird. Wie der Fall hier zeigt, laufen solche unbestimmten Erbeinsetzungen aber häufig ins Leere. Im Ergebnis führt das zu einer Unwirksamkeit statt zu einem Erben durch Auslegung. 

Video: Streit um das Testament im Erbscheinsverfahren

Rechtsanwalt Bernfried Rose erklärt in diesem Video, wie potenzielle Erben sich beim Nachlassgericht durchsetzen, wenn es um die Gültigkeit oder Auslegung von Testamenten geht.