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Übergewinnsteuer jetzt auch in Deutschland eingeführt

Neuer Krisenbeitrag soll nur Energiekonzerne betreffen

In vielen Nachbarländern gibt es sie bereits: die Übergewinnsteuer. Wo sie herkommt, wie sie eingeführt wird und wie das neue Steuerrecht in Deutschland ankommt, dazu mehr in diesem Beitrag.

Veröffentlicht am: 01.12.2022
Qualifikation: Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater in Hamburg
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Seit einigen Monaten dreht sich in Deutschland alles um die Energiekrise. Nun soll eine von europäischer Seite geschaffene Übergewinnsteuer auch in Deutschland eingeführt werden. Diese soll eine Art Energiekrisenbeitrag darstellen, der von Unternehmen der Öl-, Gas-, Kohle- und Raffineriewirtschaft aufgrund einer EU-Verordnung gezahlt werden muss. Die Übergewinnsteuer soll außerdem noch in den Entwurf des Jahressteuergesetzes aufgenommen werden.

 Europäisches Wirtschaftsrecht: EU beschließt Energie-Solidaritätsbeitrag

Trotz langer Weigerung unseres Finanzministers ist die Einführung einer Übergewinnsteuer nun wegen europäischen Vorgaben auch in Deutschland Pflicht. Hintergrund ist der von der EU-Kommission im März 2022 geschaffene REPowerEU-Plan zur Bewältigung der Energiekrise. Dieser erlaubt den EU-Mitgliedsstaaten eine bis zum Ende Juni 2022 befristete Besteuerung „übermäßiger Erlöse“ aus der Stromerzeugung. Die daraus erworbenen Einnahmen sollen an die Strom-Endverbraucher umverteilt werden, ohne eine effiziente Preisbildung zu beeinträchtigen.

Anfang Oktober schuf der Rat der Europäischen Union dann eine EU-Notfallmaßnahmen-Verordnung. Diese bestimmt für die Jahre 2022 und 2023 eine Besteuerung für fossile Energieunternehmen, auch als Solidaritätsbeitrag bezeichnet.

Steuerrecht in Europa – vielerorts existieren bereits Übergewinnsteuern

In vielen anderen EU-Staaten existiert bereits eine Übergewinnsteuer, allerdings in unterschiedlicher Ausgestaltung. Die verschiedenen EU-Staaten haben infolge der Verordnung entweder Übergewinnsteuern, einmalige Sonderabgaben oder Sondersteuern eingeführt. Neben Deutschland hat auch Belgien noch nichts Entsprechendes eingeführt, aber ebenfalls eine Übergewinnsteuer angekündigt. Andere EU-Länder haben sich für folgende Ausgestaltungen entschieden:

  • Griechenland: einmalige Sonderabgabe für Stromerzeuger (Okt. ´21 bis Juni ´22)
  • Italien: außerordentliche Solidaritätsabgabe bzw. „Über-Umsatzsteuer“ (Okt. ´21 bis April ´22)
  • Rumänien: Sondersteuer für Stromerzeuger (2021 bis 2023), Steuersatz 80 %
  • Spanien: Sonderabgabe für Stromerzeuger & Übergewinnsteuer (2021 bis 2023), Einnahmen werden in Bildung und kostenlose Fahrkarten für Nahverkehrszüge und Regionalzüge investiert
  • Tschechien: Übergewinnsteuer für Stromerzeuger, Mineralöl- und Montanunternehmen sowie Banken (ab 2023)
  • Ungarn: Sondersteuer für Banken, Versicherungen, Energie-, Handels-, Telekommunikations- und Pharmaunternehmen sowie Fluggesellschaften (2022 bis 2023)
  • Vereinigtes Königreich: Zusatzsteuer für in Großbritannien tätige Öl- und Gaskonzerne (maximal bis 2025), Steuersatz 25 %
  • Vereinigte Staaten: zusätzliche Verbrauchssteuer von 50 % auf den Mehrgewinn

Wie soll das neue deutsche Steuergesetz aussehen?

Jeder Mitgliedsstaat kann den Steuersatz des europäischen Krisenbeitrags selbst bestimmen. Das deutsche Finanzministerium hat folgenden Entwurf vorgeschlagen:

Unternehmen der Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriewirtschaft, die in den Wirtschaftsjahren 2022 oder 2023 (bei abweichenden Wirtschaftsjahren in den Jahren 2022/23 und 2023/24) einen Gewinn erzielt haben, der im Vergleich zu den Vorjahren (2018 bis 2021) den Durchschnittsgewinn um 20 Prozent übersteigt, sollen die Übergewinnsteuer zahlen müssen. Der vom Finanzministerium geplante Steuersatz beträgt 33 %.

Kritik an Umsetzung der Übergewinnsteuer: EU-Parlament übergangen

Der Vorsitzende des Finanzausschusses (Alois Rainer, CSU) befürwortet zwar grundsätzlich die Einführung eines EU-Krisenbeitrags, kritisiert jedoch gleichzeitig die Art und Weise dessen Umsetzung. Den gewählten Weg über Artikel 122 Absatz 1 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) hält er für höchst problematisch. Dieser betreffe im Grunde nur energiepolitische Fragen, nicht aber Steuern. Es sei nicht nachvollziehbar, wie durch die Einführung neuer Steuern, die Energieversorgung sichergestellt werden soll.

Außerdem ist er der Meinung, dass sich das Vorhaben besser in Form einer Richtlinie hätte realisieren lassen. Denn bei Steuern gelte innerhalb der EU das Einstimmigkeitsprinzip, welches durch die Einführung einer Verordnung unterlaufen werde, da das Europäische Parlament nicht beteiligt wurde. In diesem Punkt stimmen Finanzausschuss und Wirtschaft in ihrer Kritik überein.

Kann neues Steuerrecht die Energiekrise beseitigen?

Viele befürworten jedoch eine Übergewinnsteuer, da die Tatsache, dass Mineralölkonzerne aus der Energiekrise einen enormen Gewinn schöpfen, nicht nur ein ökonomisches, sondern auch ein politisches Problem darstelle.

Aus der Wirtschaft wird jedoch entgegengehalten, dass es sich bei der Übergewinnsteuer um ein „untaugliches Krisenbeseitigungsinstrument“ handele. Diese Steuer würde die Energiekrise nicht beseitigen können, sondern wenn überhaupt dessen Folgen, die aus der Mangellage entstanden. Dass die Energiepreise in den vergangenen Monaten gestiegen sind, sei eine natürliche Marktreaktion auf die Mangellage und keine Störung des Marktgeschehens an sich.

Zusätzlich warnt der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) vor Doppelbelastungen. Er fordert, dass die Übergewinnsteuer als Betriebsausgabe abziehbar ist und lediglich für ein Jahr erhoben wird. Eine noch stärkere Belastung deutscher Unternehmen müsse unter allen Umständen vermieden werden. Dagegen geht die Kritik des Netzwerks Steuergerechtigkeit in die entgegengesetzte Richtung und bemängelt, dass eine deutsche Übergewinnsteuer lediglich einen Bruchteil von potenziell 40 bis 50 Milliarden EUR „zurückholen“ kann. Der Großteil der Gewinne würde ohnehin im Ausland versteuert, wenn überhaupt.

Ungeachtet der Kritik oder der Befürworter des Krisenbeitrags wird die Übergewinnsteuer im internationalen Wirtschaftsrecht vermehrt Realität – und muss aufgrund der EU-Verordnung jetzt auch hierzulande umgesetzt werden. Wie die Übergewinnsteuer dann im deutschen Steuerrecht genau ausgestaltet sein wird, werden wir erst erfahren, wenn der Gesetzentwurf zum Jahressteuergesetz bekanntgegeben wird.