Wechselmodell keine Frage des Umgangsrechts?

OLG Frankfurt stellt sich gegen den BGH

Veröffentlicht am: 24.02.2020
Qualifikation: Rechtsanwalt in Hamburg
Lesedauer:

Nach einer Trennung bzw. Scheidung kommt es häufig auch zum Streit im Hinblick auf die gemeinsamen Kinder. Für die Regelung des Lebensmittelpunkt der  Abkömmlinge haben sich  im Familienrecht das Residenzmodell sowie das Wechselmodell durchgesetzt.  Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main musste sich kürzlich mit der Frage befassen, ob die Anordnung eines dieser Modelle das Umgangsrecht oder das Sorgerecht betrifft (Beschluss vom 29.01.2020 – 2 UF 301/19).

BGH erlaubt Anordnung des Wechselmodells über eine Umgangsregelung

Vor Gericht gestritten die Eltern zweier minderjähriger Kinder (1 Jahr und 5 Jahre).  Sie hatten sich 2018 auf das sogenannte paritätische Wechselmodellgeeinigt, bei dem die Kinder mehrfach wöchentlich zwischen den Wohnungen von Mutter und Vater wechselten.

Die Mutter war jedoch mit dieser Regelung nicht glücklich und beantragte 2019 die   Abänderung der Vereinbarung und eine Anordnung des sogenannten Residenzmodells, nach dem die Kinder überwiegend bei dir  wohnen sollten und beim Vater lediglich  regelmäßig zu Besuch seien.

Vor Gericht wurde die Klärung dieser Frage im Rahmen eines Umgangsverfahrens behandelt. Dies entspricht der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs (BGH),  wonach ein Betreuungsmodell über eine Umgangsregelung angeordnet werden könne.

Entscheidung über den Lebensmittelpunkt der Kinder soll dem Sorgerecht unterfallen

 Als das Familiengericht in dem Konflikt eine Anordnung traf, die der Mutter nicht passte,  landete diese Frage beim OLG Frankfurt. Konkret ging es um die Unanfechtbarkeit der Entscheidung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens, soweit es sich tatsächlich um eine Frage des Umgangsrechts handelt.

Und hier stellten sich die Richter des OLG gegen die Rechtsprechung des BGH:  Entscheidungen über den Lebensmittelpunkt des Kindes unter vielen nicht im Umgangsrecht, sondern vielmehr dem Aufenthaltsbestimmungsrecht. Dieses sei Teil  der elterlichen Sorge. Schließlich habe auch der Gesetzgeber zwischen einem betreuenden Elternteil und einem lediglich Umgangs berechtigten Elternteil unterscheiden wollen.

Die Ansicht des BGH führe dazu, dass einstweilige Anordnungen, die elementare Lebensbedingungen für Kinder und Eltern festschrieben, unanfechtbar seien. In einem Sorgerechtsverfahren  könnten einstweilige Anordnungen von Amts wegen dagegen nur bei einer gerichtlich festgestellten Gefährdung des Kindeswohls ergehen. Eine solche konnte das Gericht im vorliegenden Fall nicht erkennen.

Kindschaftsrecht bleibt in Bewegung

Die  familiären Lebensverhältnisse und Konstellationen in unserer Gesellschaft wurden in den vergangenen Jahrzehnten stetig diverser. Neue familienrechtliche Regelungen, die in das Sorgerecht Umgangsrechts hinein greifen, wie beispielsweise das beliebter werdende Wechselmodell, sind dadurch entstanden.

Der vorliegende Fall zeigt, dass auch verfahrensrechtliche Fragen im Kindschaftsrecht eine wichtige Rolle spielen. Man darf gespannt sein, wie sich künftig andere Familiengerichte bzw. Oberlandesgerichte (und natürlich der BGH) in diesem Fragen positionieren werden.