Keine Weiterbildungsermächtigung ohne Facharzt-Titel?

VG Osnabrück fällt Urteil im Arztrecht

Dürfen Ärzte in Fachrichtungen, in denen sie selbst keine Fachärzte sind, Weiterbildungen für andere Ärzte abhalten?

Veröffentlicht am: 24.03.2023
Qualifikation: Fachanwalt für Medizinrecht in Hamburg
Lesedauer:

Das Verwaltungsgericht Osnabrück hat kürzlich über die Frage entschieden, ob zwei Fachärzte für Innere Medizin nach aktuellem Stand der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Niedersachsen einen Anspruch auf die Erteilung einer Weiterbildungsermächtigung im Gebiet der Allgemeinmedizin haben (VG Osnabrück, Urteil vom 08.03.2023 - 1 A 10/23). Ob die beiden Fachärzte recht bekommen haben und damit auch die verlängerte Weiterbildungsermächtigung, erfahren Sie im Folgenden.

Dürfen Internisten in Allgemeinmedizin weiterbilden?

Hintergrund des Urteils im Arztrecht war folgender: Zwei Fachärzte für Innere Medizin (Internisten) wollten auf dem Klagewege die Erteilung einer Weiterbildungsbefugnis für das Gebiet der Allgemeinmedizin für einen Zeitraum von zwei Jahren, anstatt des zuvor im Januar 2020 bewilligten Zeitraumes von nur eineinhalb Jahren, erkämpfen. Eine solche Befugnis erlaubt es den Fachärzten für Innere Medizin, selbst Weiterbildungen auf dem Gebiet der Allgemeinmedizin zu geben und andere Ärzte darin weiterzubilden.

Seit dem 1. Juli 2020 sieht die Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Niedersachsen für Internisten jedoch gar keine Möglichkeit mehr vor, Weiterbildungen auf dem Gebiet der Allgemeinmedizin vorzunehmen (§ 6 WBO), wenn sie selbst keinen Facharzttitel für Allgemeinmedizin vorweisen können. Für andere medizinische Fachgebiete macht § 6 Abs. 3 WBO wenige Ausnahmen von der Erfordernis eines Facharzt-Titels, nicht aber für Weiterbildungen in Allgemeiner Medizin.

Nun stellte sich die Frage, ob die Osnabrücker Richter in ihrer Entscheidung Bezug auf die alte Fassung der Weiterbildungsordnung nehmen mussten, oder auf die aktuelle Fassung.

Welcher Zeitpunkt ist entscheidungserheblich?

Die betroffenen Fachärzte für Innere Medizin beriefen sich auf den Zeitpunkt ihrer Antragstellung Ende 2019 bzw. Anfang 2020, als noch die alte Fassung der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Niedersachsen galt. Zum damaligen Zeitpunkt hätten sie ihrer Meinung nach einen Anspruch auf Erteilung einer Weiterbildungsbefugnis für den gesamten Zeitraum von 24 Monaten gehabt. Gestützt hatten die Ärzte ihre Auffassung außerdem auf ausreichende Fallzahlen in den Bereichen der hausärztlichen und psychosomatischen Grundversorgung.

VG Osnabrück: Keine Weiterbildungsermächtigung für „fachfremde“ Ärzte

Die Richter des Verwaltungsgerichts Osnabrück vertraten eine andere Ansicht, wodurch das Urteil im Arztrecht zum Nachteil der beiden Fachärzte ausfiel. Da es sich ihrer Bewertung zufolge der Art nach um eine Verpflichtungsklage handele, gelte die letzte mündliche Verhandlung als entscheidungserheblicher Zeitpunkt. Dementsprechend sei in diesem Fall nach der derzeit gültigen und damit für die Entscheidung maßgeblichen Weiterbildungsordnung zu entscheiden.

Das hieß im Klartext: Der aktuellen Fassung der Weiterbildungsordnung zufolge ist eine Weiterbildungsermächtigung auf dem Gebiet der Allgemeinen Medizin von Ärzten, die selbst keinen Facharzttitel für Allgemeinmedizin tragen, nicht mehr möglich. Keiner der beiden betroffenen Ärzte besaß neben dem Facharzt-Titel in Innerer Medizin auch einen Facharzt in Allgemeiner Medizin. Das Gericht hat infolgedessen die Klage auf Erteilung einer Weiterbildungsbefugnis abgewiesen.

Bei dem Recht der Weiterbildung handelt es sich um Berufsrecht, auch Standesrecht genannt. Im Rahmen der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen beschließt die Ärzteschaft in den jeweiligen Bundesländern selbst über die eigenen Rechtsgrundlagen wie Berufsordnungen oder Weiterbildungsordnung. In jedem Bundesland bzw. KV-Bezirk kann daher etwas abweichendes gelten. Die Muster-BO bzw. Muster-WBO der Bundesärztekammer sind nicht bindend.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, es kann noch Rechtmittel eingelegt werden.