Das Supervermächtnis in der Beratungspraxis

Alles super, oder?

Veröffentlicht am: 06.11.2019
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Alles super, oder?

Ein Beitrag von Ralph Butenberg, Fachanwalt für Erbrecht in Hamburg

Eine seltene gerichtliche Bestätigung dieser Gestaltungsempfehlung für letztwillige Verfügungen durch das OLG Hamm in seinem Beschluss vom 16.8.2018, 15 W 256/18:

Jede letztwillige Verfügung, sei es ein Testament oder ein Erbvertrag, muss der Erblasser nach dem Gesetz persönlich errichten. Er kann sich bei der Errichtung seiner Verfügung nicht von einer anderen Person vertreten lassen und muss die wesentlichen Entscheidungen darüber, wen er z.B. als Erben einsetzen möchte, selbst in seiner letztwilligen Verfügung treffen. Der Erblasser könnte zum Beispiel in seinem Testament nicht eines seiner Kinder oder den Testamentsvollstrecker dazu ermächtigen, in seinem Namen den oder die Erben einzusetzen. Dies ergibt sich aus §§ 2064, 2065 Abs. 2 BGB und wird als das Verbot der Dritt- oder Fremdbestimmung bezeichnet.

Verbot der Dritt- oder Fremdbestimmung

§ 2065 Abs. 2 bestimmt wörtlich: „Der Erblasser kann die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung erhalten soll… nicht einem anderen überlassen.“ Dieses strikte Verbot wird vom Gesetz teilweise allerdings erheblich modifiziert und abgemildert, es enthält insbesondere im Hinblick auf Vermächtnisse eine ganze Reihe an Ausnahmetatbeständen.

Ausnahmen vom Drittbestimmungsverbot bei Vermächtnissen

Bei einem Vermächtnis handelt es sich um eine in aller Regel gegenständlich bestimmte Zuwendung des Erblassers, die dem Vermächtnisnehmer, also dem vom Erblasser Bedachten, einen Rechtsanspruch gegen den oder die Erben auf Überlassung der vermachten Gegenstandes gewährt. Ein solcher Gegenstand kann beispielsweise eine Münz- oder Briefmarkensammlung sein, eine Immobilie, ein Geldbetrag oder auch ein Wohnungsrecht. 

Struktureller Unterschied zwischen Vermächtnis und Erbeinsetzung

Anders als ein Erbe erwirbt der Vermächtnisnehmer an dem Vermächtnis jedoch nicht automatisch mit dem Erbfall das Eigentum oder die sonstige eigentumsähnliche Berechtigung, sondern erst dann, wenn der Erbe den Vermächtnisanspruch erfüllt und den Vermächtnisgegenstand dem Vermächtnisnehmer übereignet hat.

Aufgrund dieses strukturellen Unterschiedes enthält das Gesetz Ausnahmetatbestände, die beispielsweise ermöglichen, dass eine andere Person als der Erblasser die Entscheidung darüber trifft, wer aus einem bestimmten Personenkreis das vom Erblasser bestimmte Vermächtnis erhält (§ 2151 Abs. 1 BGB), welchen Anteil jede Person aus einem bestimmten Personenkreis an einem Vermächtnis erhält (§ 2153 Abs. 1 BGB) oder aber der Erblasser testamentarisch nur eine Zweckbestimmung für ein Vermächtnis verfügt und sodann einem Dritten die Art und Weise der Vermächtniserfüllung zur Erreichung dieses Zwecks „nach billigem Ermessen“ überlässt, § 2156 BGB. Diese andere entscheidungsbefugte Person kann natürlich auch der Erbe selbst sein.

Kombination der gesetzlichen Wahlmöglichkeiten durch das „Supervermächtnis“

Die skizzierten Möglichkeiten, dem Erben eigenen Entscheidungsspielraum über die Art des Vermächtnisses sowie die bedachte Person zu gewähren, können auch miteinander kombiniert werden. Dies solange der Erblasser zumindest den Rahmen vorgibt, innerhalb dessen sich die eigenen Entscheidungsbefugnisse des Erben bewegen. Die zivilrechtliche Wirksamkeit der Kombination der gesetzlichen Wahlmöglichkeiten ist bislang in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht ausdrücklich thematisiert worden. Die eingangs erwähnte Entscheidung des OLG Hamm (Beschluss vom 16.8.2018, 15 W 256/18; vgl. dazu auch die Anmerkung von Wachter, Supervermächtnis und Testamentsvollstreckung, ErbR 2019, 621 ff.) lässt allerdings erkennen, dass das Gericht von der uneingeschränkten Zulässigkeit der Kombination von Wahlmöglichkeiten zur testamentarischen Schaffung eines „Supervermächtnisses“ ausgeht. Dies ist eine seltene und wichtige Bestätigung der herrschenden Gestaltungspraxis.

Steuerungsmöglichkeiten im Hinblick auf die Erbschaftsteuer für den Erben insbesondere beim Berliner Testament  

Natürlich hat die Kombination von Wahlmöglichkeiten im Zusammenhang mit erblasserseitig bestimmten Vermächtnissen erhebliche praktische Relevanz – vor allem für die Erbschaftsteuer. In aller Regel weiß der Erblasser nicht, welches Vermögen er hinterlassen wird. Damit ist ebenfalls unklar, ob und ggfs. in welcher Höhe Erbschaftsteuer entstehen wird. Im Fall eines Berliner Testaments wird der längerlebende Ehegatte zunächst Alleinerbe, die Kinder erben in aller Regel als Schlusserben erst nach dem Ableben des längerlebenden Ehegatten. Übersteigt nun der dem Ehegatten als Alleinerbe hinterlasse Nachlass die erbschaftsteuerlichen Freibeträge, fällt unweigerlich Erbschaftsteuer an. Hier kann ein Supervermächtnis für den Alleinerben Gestaltungsraum eröffnen. Durch ein entsprechendes Supervermächtnis könnte der Alleinerbe Teile des Nachlasses als Vermächtnisse des erstverstorbenen Erblassers an die Schlusserben –die gemeinsamen Kinder- weitergeben. Er könnte die konkrete betragsmäßige Höhe und –je nach Testamentsformulierung- auch die Fälligkeit der Vermächtnisse insbesondere unter Berücksichtigung seines konkreten eigenen Versorgungsbedarfs bestimmen. Diese Vermächtnisse wären als Nachlassverbindlichkeiten bei dem Alleinerben einerseits steuermindernd zu berücksichtigen und würden andererseits aufgrund der hohen Freibeträge der Schlusserben bei diesen keine Besteuerung auslösen. Hierdurch können sich ganz erhebliche Steuervorteile ergeben.

Wir beraten in unserer Gestaltungspraxis regelmäßig Mandantinnen und Mandanten in Bezug auf die erweiterten letztwilligen Gestaltungsmöglichkeiten durch „Supervermächtnisse“, um insbesondere alle erbschaftsteuerlichen Möglichkeiten im Erbfall zu bewahren. Bei Nachfragen stehe Ihnen unsere Fachanwälte für Erbrecht in Berlin, Hamburg, München und Frankfurt gern zur Verfügung.