Unternehmensinsolvenz wegen Corona?

Lage bei drohender GmbH-Insolvenz

Veröffentlicht am: 27.03.2020
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Haftung des Geschäftsführers gemäß der neuen Gesetzeslage

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Boris Jan Schiemzik, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Hamburg

ROSE & PARTNER hat ein Task Force-Team aus Rechtsanwälten und Steuerberatern zusammengestellt. Dieses unterstützt Unternehmen, Unternehmer und Geschäftsführer in der Corona-Krise. Dieser Beitrag bietet einen Überblick über die neue Situation bei Unternehmensinsolvenzen. Der Bundestag hat am 25. März 2020 das COVID-Insolvenz-Aussetzungsgesetz (COVInsAG) beschlossen und damit eine Flexibilisierung für Unternehmen in der Corona-Krise geschaffen.

Insolvenzantragspflicht für GmbHs und GmbH & Co. KGs

Auch nach dem neu beschlossenen COVID-Insolvenz-Aussetzungsgesetz bleibt die Unternehmensinsolvenz ein heißes Eisen für die Geschäftsführer. In Kapitalgesellschaften ist die Geschäftsleitung grundsätzlich dazu verpflichtet, bei einer Insolvenzreife unverzüglich für das Unternehmen Insolvenzantrag zu stellen (§ 15a InsO). Dies gilt für AGs, GmbHs und GmbH & Co. KGs. Kommen die Geschäftsführer dieser Pflicht nicht nach, drohen zivilrechtliche Schadensersatzklagen und strafrechtliche Verfahren. Eine solche Insolvenzreife liegt vor, wenn die GmbH zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Die Insolvenzgründe der GmbH sind näher in §§ 17 bis 19 InsO beschrieben. Diese allgemeine Gesetzesklage wird für eine gewisse Zeit zugunsten der Unternehmen flexibilisiert. Im Einzelnen:

Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen Corona-Krise

In Anknüpfung an die zugesagten Finanzhilfen durch die Politik, wird auch bei den Unternehmensinsolvenzen nachjustiert: Nach dem beschlossenen COVID-Insolvenz-Aussetzungsgesetz wird die Insolvenzantragspflicht wegen der Corona-Pandemie zunächst bis zum 30. September 2020 ausgesetzt. Später kann eine zeitliche Verlängerung der Aussetzung erfolgen. Das Bundesjustizministerium die Folgen der Corona-Maßnahmen für die Realwirtschaft abzufedern. Dieser Regelungsmechanismus ist bereits bei den Hochwasserkatastrophen in 2002, 2013 und 2016 zum Schutze von Unternehmen zum Einsatz gekommen.

Zu beachten ist, dass die gesetzliche Regelung nicht pauschal für alle insolvenzreifen Unternehmen gilt. Die Privilegierung beanspruchen dürfen Unternehmen, die ihre Finanzierung wegen der Corona-Krise nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Dreiwochenfrist sicherstellen können. Voraussetzung ist ferner, dass der Insolvenzgrund auf die Corona-Pandemie zurückzuführen ist. Für die Insolvenzursache hat das neue Gesetz eine Vermutungsregelung aufgestellt: Wenn das Krisenunternehmen bis zum 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig war, gilt die Vermutung, dass COVID-19 die bestehende Zahlungsunfähigkeit hervorgerufen hat und auch die Aussicht besteht, dass die bestehende Zahlungsunfähigkeit beseitigt werden kann.

Bewertung aus Anwaltssicht

Die geplante Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ist eine logische und sinnvolle Ergänzung der zugesagten Finanzhilfe durch die Bundesregierung und Landesregierungen. Die Abwicklung der abgerufenen Unternehmensfinanzierung dürfte sich als eine Mammutaufgabe für die öffentliche Hand herausstellen. Jede einzelne Finanzierung der vielen Unternehmungen wird Zeit beanspruchen. Der vom Insolvenzrecht vorgegebene Handlungsspielraum von 3 Wochen wird in der Praxis oftmals nicht eingehalten werden können.

Hervorzuheben ist, dass für die insolvenzreifen Unternehmen, die die Insolvenzaussetzung beanspruchen,  eine Kausalität zwischen der Corona-Krise und ihrem Insolvenzgrund bestehen muss. Zwar gilt die beschriebene Gesetzesvermutung. Diese ist aber widerlegbar, womit auch Haftungsgefahren für den Geschäftsführer begründet werden.

Neue gesetzliche Haftungsbegrenzung

Erfreulich ist, dass das neue Gesetz auch die hohen Haftungsrisiken für die Geschäftsführung für Zahlungen nach Insolvenzreife reduziert hat. Nach neuer Rechtslage sollen Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, keine Haftung nach § 64 GmbHG auslösen. Nach § 64 GmbHG muss der Geschäftsführer normalerweise bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Unternehmens grundsätzlich jedwede Leistung einstellen. Anderenfalls macht er sich schadensersatzpflichtig. Das Gleiche gilt über § 92 Abs. 2 AktG auch für Aktiengesellschaften und ihre Vorstände. Diese Haftungsgefahr wird während der Geltung des neuen Gesetzes nunmehr eingeschränkt. Zu beachten ist, dass die beschrieben Erleichterungen und Haftungsreduzierungen nur während der vorübergehenden Geltung des Gesetzes gelten. Danach gilt die alte Rechtslage, die für viele Unternehmen eine Herausforderung darstellen wird.