Der Rechtsstaat kapituliert, die AfD profitiert.

Hass und Fake News ohne Ende auf Facebook?

Veröffentlicht am: 26.10.2018
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Hass und Fake News ohne Ende auf Facebook?

Ein Beitrag von Fiona Schönbohm

Wie umgehen mit Rechtsverstößen auf Facebook? Das Social Media-Recht ist und bleibt Thema – politisch, gesellschaftlich, rechtlich. Während Politiker ratlos die Achseln zucken und die Gerichte  mit ihren jahrelangen  Verfahren hinter den technischen Neuentwicklungen stets hinterher hinken, profitieren die Gegner des Rechtsstaates von seiner Schwäche im Bereich des Internetrechts.

Denn die Geschichte zeigt: Rechtspopulistische Inhalte werden von Dummheit befeuert wie von einem Kanister Benzin. Mit dem Internet haben ihre Akteure nun eine völlig neue Art von Brandbeschleuniger entdeckt. Hitler hätte Augen gemacht. Ein Beispiel:

Hasskommentare auf Facebook in bayrischer Provinz

Im niederbayrischen Ort Deggendorf wurde  die AfD vergangenes Jahr stärkste Partei. Mit 31,5% der Stimmen lag sie noch vor der CSU, die nur 24,4% holte. Die Stadt rühmt sich, „auf der Sonnenseite“ des bayrischen Waldes zu liegen. Im Internet finden sich romantische  Bilder von einem Stadtpark, einem Palais, ein Stadtmuseum und einem alten Kirchturm inmitten einer malerischen Berglandschaft. So viel Hass bei Menschen, denen es so gut geht?

Doch tiefere Einblicke in die Mentalität gibt ein Blick auf die Facebook-Seite. Kurz vor den jüngsten Landtagswahlen in Bayern erklärte die Staatsanwaltschaft, man habe fast 100 Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung aufgrund einer Facebook-Aktion der örtlichen AfD eingeleitet. Flüchtlinge hatten für eine bessere Unterbringung demonstriert, die Deggendorfer AfD übertrug die Proteste in einem Livestream auf ihrer Facebook-Seite.  In zahlreichen Kommentaren ließen daraufhin die Bürger ihrem Hass freien Lauf – einschließlich Forderungen, die Flüchtlinge zu vergasen oder nach Auschwitz zu schicken. Die AfD wies Vorwürfe zurück, die Stimmung provoziert zu haben. Ihre Kreisvorsitzende Ebner-Steiner sitzt mittlerweile im Landtag.

Keine hinreichende Kontrolle von Fake News und Straftaten

Wie kommt so etwas zustande? Der Kreischef des Sozialverbands VdK erklärt in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung, es würden sich falsche Gerüchte in Windeseile verbreiten, denen zufolge Flüchtlinge angeblich besser behandelt würden als deutsche Bürger. Gerüchte wie das, wonach der Nettomarkt gegenüber einer Unterkunft schließen musste, weil Asylbewerber ihn leerstehlen würden, ohne strafrechtlich verfolgt zu werden. Oder dass Flüchtlinge nur Flachbildschirme wollten und bekämen, anstatt „normale Fernseher“. Oder dass die Asylbewerber Markenunterhosen tragen würden.

Im Internet wähnen sich viele Menschen frei von strafrechtlichen Konsequenzen und lassen ihren uninformierten Hass ungefiltert raus. Dabei verbreiten sich falsche Informationen wie ein Lauffeuer.  Diese sogenannten „fake news“ verhalfen schon Trump zur Präsidentschaft – das unstrittig schlimmste politische Ereignis seit Jahrzehnten. Ein Bericht über Hass und Gewalt gegen Rohingya in Myanmar zeigt kürzlich: Gewaltaufrufe auf Facebook stehen dort seit 2013 ungeprüft im Netz und konnten bisher nur auf Englisch, nicht aber in der Landessprache gemeldet werden. Doch weder übernehmen die Konzerne ihre Verantwortung, noch schaffen Politik und Gerichtsbarkeit es, der Sache Herr zu werden.

Maßnahmen im Social Media Recht?                                        

So wurden im Fall Deggendorf bisher lediglich zwei Strafbefehle beantragt (Stand: 05.10.18). Die Politiker in Berlin laden Vertreter von Facebook und lassen sich dann mit nichtssagenden Statistiken abspeisen, die dreißigjährige Publicity Managerinnen mit zu viel Makeup vom Blatt ablesen. Der oberste Gerichtshof verweist ein zehn Jahre altes Verfahren zur Löschungspflicht von YouTube für weitere Jahre an den EuGH. Und die rechten Parteien lachen sich ins Fäustchen.

Die AfD ist nach der Landtagswahl in Hessen nun in allen 16 Landtagen vertreten. 96.000 ehemalige CDU-Wähler entschieden sich dieses Mal, ihr Kreuzchen für die AfD zu setzen. Fragt man nach bei den Wählern, was sie dazu bewegt hat, kommt: eine endlose Leere. Es werden falsche  Statistiken von rechten Webseiten zitiert und hasserfüllte Parolen gerufen. Man liest auf Facebook einen Kommentar mit frei erfundenen Tatsachen und die stille Post verbreitet sich wie ein Lauffeuer.

Wann wird ein ernsthaftes Facebookrecht endlich auf die Gefahren für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit reagieren, die von sozialen Medien ausgehen? Hoffentlich bevor die AfD Regierungspartei wird.