Enterbung durch Schenkung?

Aktuelles Urteil des OLG Brandenburg

Eine Enterbung kann auch stillschweigend in einem Schenkungsvertrag vorgenommen werden, wenn eine entsprechende Auslegung dies rechtfertigt.

Veröffentlicht am: 02.11.2022
Qualifikation: Fachanwältin für Erbrecht und Familienrecht
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Die Enterbung eines Angehörigen erfolgt normalerweise durch ein Testament. Dass man aber auch unbemerkt mit einem Schenkungsvertrag mal eben nebenbei von der Erbfolge ausgeschlossen werden kann, entschied nun das OLG Brandenburg in einem Urteil, das heute von der Deutschen Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge veröffentlicht wurde (OLG Brandenburg, Beschluss vom 31.08.22, 3 W 55/22).

Mutter verschenkte Immobilie an den Sohn

In dem vom Fall hatte eine Mutter ihrem Sohn eine Immobilie geschenkt. Im Schenkungsvertrag hießt es:

"Die Überlassung erfolgt im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Anrechnung auf den Pflichtteil des Erwerbers am künftigen Nachlaß des Veräußerers. Die ...  weiteren Kinder der Erblasserin] verzichten für sich und ihre Nachkommen hiermit gegenständlich beschränkt auf die vorstehende Überlassung auf ihr Pflichtteilsrecht am künftigen Nachlaß der Erschienenen zu 1. Die Erschienene zu 1. nimmt den Verzicht jeweils entgegen und an."

Kampf um das Erbe beim Nachlassgericht

Als die Mutter ohne Testament verstarb, beantragte der beschenkte Sohn beim Nachlassgericht einen Erbschein, der ihn gemeinsam mit seinen Geschwistern als Erbe auswies. Ein Bruder des Beschenkten vertrat dagegen die Auffassung, dass der Beschenkte durch die Regelungen im Schenkungsvertrag enterbt wurde und entsprechend nicht mehr im Erbschein auftauchen dürfte.

So sah es auch das OLG Brandenburg, dass letztlich über den Erbscheinsantrag entscheiden musste. Der Schenkungsvertrag erfülle förmlich die Voraussetzungen eines Testaments, auch wenn er nicht als "Testament" bezeichnet wurde.

Auslegung zugunsten stillschweigender Enterbung

Die Richter vertraten weiter die Auffassung, dass in den Formulierungen des Schenkungsvertrags eindeutig eine stillschweigende Enterbung zu sehen sei. Dieser Wille der Mutter sei durch Auslegung zu ermitteln und stütze sich auf die "vorweggenommene Erbfolge" und die "Anrechnung auf den Pflichtteil".

Nun kann der enterbte Sohn zumindest noch den Pflichtteil geltend machen - falls von dem trotz Anrechnung der Immobilienschenkung noch etwas übrig  sein sollte.