Erbschaftteuer sparen mit Erbausschlagung

Die Reparatur des Berliner Testaments

Veröffentlicht am: 31.08.2021
Qualifikation: Rechtsanwalt in Hamburg
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Häufig stellt sich im Erbfall heraus, dass die vom Erblasser (nicht) getroffenen Verfügungen erbschaftsteuerlich ungünstig sind. Dies gilt beispielsweise regelmäßig beim überaus populären „Berliner Testament“, bei dem die Ehegatten zunächst sich selbst gegenseitig als Alleinerben einsetzen und erst nach dem Letztversterbenden die Kinder als Schlusserben erben sollen. In dieser Konstellation werden die Freibeträge der Kinder (je EUR 400.000,00 pro Kind) ungenutzt verschenkt. In vielen Fällen lässt sich jedoch eine aus Sicht der Erbschaftssteuer unerwünschte Erbfolge auch nach dem Erbfall vermeiden, indem der Begünstigte das Erbe ausschlägt. Doch was passiert, wenn anschließend nicht der gewünschte Erbe berufen ist, sondern ein anderer? Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main liefert hierzu wichtige Erkenntnisse (Beschluss vom 6.2.2021 – Aktenzeichen 21 W 167/20).

Kettenausschlagung nach Erbfall mit Ehegattentestament

Der Erblasser und seine Frau hatten zwei Kindern: einen Sohn und eine Tochter. Sie errichteten ein Ehegattentestament, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten. Weitere Verfügungen trafen sie zu nicht. Nach dem Tod des Erblassers schlug die Ehefrau das Erbe aus. Ihr Sohn schlug das Erbe ebenfalls aus, während ihre Tochter das Erbe annahm. Die Beteiligten gingen davon aus, dass durch die Ausschlagung der Ehefrau und des Sohnes, die Tochter Alleinerbin geworden sei. Die Tochter beantragte daraufhin einen sie als Alleinerbin ausweisenden Erbschein. Das Nachlassgericht wies darauf hin, dass der Enkel des Erblassers (Sohn des ausschlagenden Sohnes) nicht berücksichtigt worden sei. Hieraufhin erhielt sie einen Teilerbschein, der sie nur zu ½ als Miterbin auswies.

Anfechtung der Ausschlagungserklärung wegen Irrtums über die Erbfolge

Daraufhin erklärte die Ehefrau des Erblassers die Anfechtung der Ausschlagungserklärung und kündigte an, einen sie als Alleinerbin ausweisenden Erbschein zu beantragen. Sie begründete die Anfechtung damit, dass sie sich über die Erbfolge geirrt habe. Sie habe erreichen wollen, dass ihre Tochter Alleinerbin werde. Der Enkel wollte das jedoch nicht einfach so hinnehmen. Nach seiner Ansicht sei die Ehefrau bei der Ausschlagung einem unbeachtlichen Motivirrtum unterlegen und eine Anfechtung somit ausgeschlossen.

Das Nachlassgericht schloss sich dieser Ansicht an und lehnte den Antrag der Ehefrau ab, da es sich lediglich um einen Irrtum über mittelbare Rechtsfolgen gehandelt habe, der nicht zur Anfechtung berechtige. Hiergegen wandte sich die Ehefrau mittels Beschwerde beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main. Sie argumentierte damit, dass es sich um einen beachtlichen Inhaltsirrtum handle. Ein solcher liege dann vor, wenn der Ausschlagende irrig angenommen habe, seine Erklärung führe zum unmittelbaren Übergang des Erbteils auf bestimmte Miterben.

Nur der Irrtum über die unmittelbare Folge beachtlich

Auch das Oberlandesgericht lehnte den Antrag der Ehefrau ab und half mithin der Beschwerde nicht ab, da kein die Anfechtung ermöglichender Grund vorgelegen habe. Insoweit sei es denkbar, dass die Anfechtung erklärt wird, wenn sich der Anfechtende über die Person, die an seiner statt Erbe wird, irrt. Die Behandlung einer solchen Konstellation wird in der juristischen Literatur und Rechtsprechung nicht einheitlich gehandhabt. Das Oberlandesgericht deutete an, dass nach seiner Ansicht ein solcher Irrtum grundsätzlich beachtlich sei, da es sich um einen Rechtsfolgenirrtum handle, der als Inhaltsirrtum zur Anfechtung der Ausschlagungserklärung berechtige.

Letztlich kam es darauf jedoch nicht an, da eine Anfechtung nicht möglich sei, wenn nicht wesentlich andere als die beabsichtigten Wirkungen eingetreten sind. Der nicht erkannte Eintritt zusätzlicher Auswirkungen, die zu den gewollten Rechtsfolgen hinzutreten, stellen daher lediglich ein unbeachtlicher Motivirrtum dar.

Somit könne bei einer Ausschlagung zwar der Irrtum über die Person des nächstberufenen Erben ein beachtlicher Rechtsfolgenirrtum sein, nicht jedoch der Irrtum über die Rechtsfolge einer weiteren – von der ersten unabhängigen – Ausschlagung. Vorliegend hat die Ehefrau mit ihrer Ausschlagung genau die Wirkung erzielt, die sie beabsichtigt hatte und zwar, dass ihre Kinder Erben geworden sind. Dass anschließend durch die Ausschlagung des Sohnes nicht die ursprünglich von der Ehefrau gewünschte Erbfolge (Alleinerbschaft der Tochter) eingetreten ist, spielt für die Anfechtbarkeit der Ausschlagung durch die Ehefrau keine Rolle mehr. Insofern handelte es sich tatsächlich lediglich um einen unbeachtlichen Motivirrtum, dem die Ehefrau unterlegen ist, so dass sie die Ausschlagung nicht mit Erfolg anfechten konnte.

Lenkende Ausschlagung birgt Chancen und Risken

Die Entscheidung des Gerichts ist nachvollziehbar und richtig. Sie zeigt, dass eine taktische/lenkende Erbausschlagung erhebliche Risken birgt. Insgesamt zeigt sich, dass die taktische Ausschlagung zwar häufig ein probates Mittel ist, um Erbschaftsteuern zu sparen. Dies kann teilweise erhebliche steuerliche Auswirkungen haben. Andererseits sollte eine Ausschlagung stets nur mit Blick auf die potenziellen Risken in Betracht gezogen werden, da andernfalls gegebenenfalls gar nicht die gewünschte Erbfolge eintritt. Eine nachträgliche Anfechtung der Ausschlagung wird nicht in jedem Fall möglich sein. Hinzukommt, dass die Ausschlagungsfrist lediglich sechs Wochen beträgt, sodass meist in sehr kurzer Zeit weitreichende (und häufig endgültige) Entscheidungen getroffene werden müssen. Dies setzt zwingend eine gründliche juristische Analyse im Vorfeld voraus.