Fristlose Kündigung nach Hitlergruß

Können Türken Nazis sein?

Veröffentlicht am: 21.10.2016
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Eine Bekennung zum Nationalsozialismus ist ein Grund zur fristlosen Kündigung, entscheid das Hamburger Arbeitsgericht. Aber wann ist man denn nun ein „Nazi“? Reicht der Hitlergruß als Provokation? Können türkische Mitbürger denn überhaupt Nazis sein?

Ein Gastbeitrag von Fiona Schönbohm

Das Hamburger Arbeitsgericht bestätigte vergangene Woche die fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers, der einen Kollegen mit dem Hitlergruß gegrüßt hatte und ihn dabei einen „Nazi“ nannte (ArbG Hamburg Az. 12 Ca 348/15).

„Du bist ein Heil, du Nazi!“

Der Angestellte war Fahrer in einem Patiententransportunternehmen gewesen. Nachdem er Ende 2015 mit dem Betriebsratsvorsitzenden in einen Streit geraten war, erhob er den Arm zum Hitlergruß und rief seinem Gegenüber zu: „Du bist ein Heil, du Nazi!“. Daraufhin kündigte sein Arbeitgeber ihm wegen Beleidigung fristlos. Die Kündigungsschutzklage des Mitarbeiters blieb ohne Erfolg.

Loyalitätspflicht des Arbeitnehmers

Jeden Arbeitnehmer trifft gegenüber seinem Arbeitgeber eine umfassende Loyalitäts- und Rücksichtnahmepflicht, die auch bei beleidigenden Aussagen gegenüber dem Vorgesetzten oder Kollegen verletzt sein kann, sofern dadurch das Betriebsklima zerstört wird. Eine fristlose Kündigung ist aber im Arbeitsrecht stets nur als letzte Maßnahme nach gründlicher Abwägung der beiderseitigen Interessen zulässig, wobei die Schwere der Vertrauensverletzung ebenso einzubeziehen ist wie die Länge des Arbeitsverhältnisses und bisherige Verfehlungen des Arbeitnehmers.

Beleidigung von Kollegen

Die Äußerung des Mannes wird wohl den strafrechtlichen Tatbestand der Beleidigung erfüllt haben (das Arbeitsgericht musste hierüber jedenfalls nicht entscheiden), da ein sachlicher Zusammenhang zu dem Streit scheinbar nicht bestand und daher kaum die sachliche Auseinandersetzung mit einem Thema, sondern die Diffamierung des Kollegen im Vordergrund gestanden haben dürfte.

Wo aber diese Grenze der so genannten „Schmähkritik“ erreicht ist, ist die Äußerung von der Meinungsfreiheit des Grundgesetztes nicht mehr gedeckt. Wo der Tatbestand der Beleidigung erfüllt ist, darf aber von einem schweren Vertrauensbruch auch im Arbeitsverhältnis ausgegangen werden.

Bekennung zum Nationalsozialismus?

Besonders diskussionswürdig war vor Gericht die Tatsache, dass der Kläger türkische Wurzeln hatte. Er berief sich darauf, als solcher könne er schon kein nationalsozialistisches Gedankengut pflegen. Dem widersprach das Arbeitsgericht zwar zurecht. Allein die Herkunft kann über nationalsozialistische Gesinnung nicht entscheiden.

Dennoch ging das Arbeitsgericht möglicherweise einen Schritt zu weit. Es stützte die Abweisung der Klage nämlich nicht auf die Rechtfertigung der Kündigung wegen Beleidigung eines Kollegen und Zerstörung des Betriebsklimas, sondern sah tatsächlich in dem Ausspruch des Klägers ein Bekennen zu nationalsozialistischem Gedankengut.

Ob dies nur an der unzureichenden Begründung des Klägervortrags lag, oder ob das Gericht tatsächlich aus dem Handeln des Klägers auf nationalsozialistisches Gedankengut schließt, ist unklar, da die Urteilsbegründung noch nicht veröffentlicht wurde.

Provokanter Hitlergruß

Man ist aber versucht, dem Kläger in seinem Vortrag Recht zu geben, er habe den Kollegen mit seiner Äußerung lediglich beleidigen, sich aber nicht zu nationalsozialistischem Gedankengut bekennen wollen. Wer einen anderen beleidigend als einen „Nazi“ beschimpft, vor dem Hintergrund, eigene, ausländische Wurzeln zu haben, und als Provokation den Hitlergruß nachahmt, kann nicht allein deshalb selbst als Träger nationalsozialistischer Überzeugungen bestraft werden, will er doch mit der Gesamtheit seiner Gestik vielmehr das Gegenteil zum Ausdruck bringen.

Ob aber die Beleidigung allein im vorliegenden Fall ein ausreichender Kündigungsgrund ist, lässt das Arbeitsgericht offen.

(Bild: Copyright Thomas Reimer - fotolia.com)