Gebäude-AfA: Nachweis einer kürzeren Restnutzungsdauer

Welches Gutachten reicht aus?

Unter welchen Voraussetzungen ein kürzerer Zeitraum für die typische Nutzungsdauer von Immobilien festgelegt werden kann und wie dadurch die Abschreibungsmöglichkeiten für vermietete Gebäude beeinflusst werden können, lesen Sie im Folgende.

Veröffentlicht am: 20.08.2022
Von: Alisa Bernauer
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Die Abschreibungsmöglichkeiten (AfA) für vermietete Gebäude hängen von der Restnutzungsdauer ab. Das Gesetz geht dabei zunächst von festen Prozentsätzen aus, die auf typischen Nutzungsdauern für Gebäude beruhen. Immobilieneigentümer können jedoch auch einen kürzeren Zeitraum zugrunde legen, wenn dieser tatsächlich nachgewiesen werden kann. Mit den Anforderungen für so einen Nachweis hat sich Anfang 2022 das Finanzgericht Münster ausführlich befasst (FG Münster, Urteil vom 27. Januar 2022 – 1 K 1741/18).

Immobilieneigentümer sieht niedrige Nutzungsdauer und erhöhte Abschreibung

Im streitigen Fall ging es um Mieteinnahmen aus einem Dreifamilienhaus (Baujahr 1955) mit Nebengebäude und Garage. Anlässlich eines damals anstehenden Eigentümerwechsels wurde die Immobilie im Auftrag des Amtsgerichts von einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen bewertet. Der Gutachter kam dabei zum Stichtag 17. Mai 2010 auf eine Restnutzungsdauer von 30 Jahren.

Der Eigentümer machte im Rahmen seiner Einkommensteuererklärungen für mehrere Jahre eine erhöhte AfA von 3,33 Prozent der Anschaffungs- und Herstellungskosten geltend – statt der gesetzlichen 2 Prozent. Hierüber kam es zum Streit mit dem Finanzamt, das geltend gemachte Aufwendungen des Immobilieneigentümers nicht berücksichtigte.

Finanzamt beharrt auf AfA-Satz von 2 Prozent

Im Einspruchsverfahren legte der Eigentümer die Sanierungsbedürftigkeit des Objekts dar. Hieraus folge, dass die Immobilie vor Ablauf der Abschreibungsfrist wirtschaftlich verbraucht sein würde. Hieraus ergebe sich eine tatsächliche Nutzungsdauer von nur noch 30 Jahren. Hierauf ließ sich das Finanzamt nicht ein und berücksichtigte in seinen Änderungsbescheiden weiterhin AfA-Beiträge in Höhe von 2 Prozent der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten.

Es kam zur Klage vor dem Finanzgericht. Dort reichte der Immobilieneigentümer das Gutachten von 12. Juli 2010 ein, um die von ihm behauptete verkürzte Nutzungsdauer für den Grundbesitz zu beweisen. Und tatsächlich folgte ihm das Gericht und setzte den erhöhten AfA-Satz von 3,33 Prozent an.

Bausubstanzgutachten nicht zwingend erforderlich

Es verwies dabei auf § 7 Absatz 4 Satz 2 EstG wonach von der gesetzlichen Typisierung mit festen Prozentsätzen bei der AfA zugunsten der tatsächlichen Nutzungsdauer abgewichen werden kann. Dabei komme es auf die Verhältnisse des Einzelfalls an, die vom Steuerpflichtigen darzulegen und zu nachzuweisen seien.

Dies müsse nicht zwingend mit einem Bausubstanzgutachten erfolgen. Das vorgelegte Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, der sowohl die Ertragswertermittlung als auch eine Vergleichswertermittlung vornahm, reiche zum Nachweis der verkürzten Nutzungsdauer, der zum erhöhten AfA-Satz führt, aus. Schließlich folgerte der Gutachter die niedrigere Restnutzungsdauer aus den erforderlichen Instandsetzungs- und Kernsanierungsarbeiten. Diese habe er überzeugend dargelegt.

Grundbesitzer sollten die Möglichkeiten des Steuerrechts nutzen

Die Entscheidung des Finanzgerichts ist zu begrüßen. Sie ist praxisnah, da sie Eigentümern vermieteter Immobilien keine unnötig hohen Hürden setzt, um in den Genuss höherer AfA-Sätze aufgrund einer niedrigeren Restnutzungsdauer von Gebäuden nachzuweisen.

Das Urteil zeigt auch, wie wichtig es ist, die Möglichkeiten des Immobiliensteuerrechts zu kennen und die Rahmenbedingungen für die Besteuerung aktiv mitzugestalten.