Friede, Freude, Eierkuchen statt Hass, Hetze und Fake-News?

Das NetzDG feiert seinen ersten Geburtstag

Veröffentlicht am: 16.10.2018
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Das NetzDG feiert seinen ersten Geburtstag

Ein Beitrag von Sonja Dähnhardt

Am 1. Oktober 2017 trat das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, oder kurz: NetzDG, in Kraft. Ein Jahr später ist Zeit für eine erste Bilanz.

Waffe gegen Hass und Hetze im Netz

Laut Heiko Maas liegt der wesentliche Zweck des NetzDG darin, bereits bestehendes Recht wirksam durchzusetzen. Daher werden Netzwerke dazu verpflichtet strafrechtlich relevante Inhalte die ihnen gemeldet werden innerhalb einer Frist von 24 Stunden löschen. Kommt der Betreiber dem nicht nach, droht ihm ein Bußgeld von bis zu 5 Millionen Euro.

Auf diesem Wege sollten Hasskommentaren, Beleidigungen und Verleumdungen, aber auch Fake-News etwas entgegen gesetzt werden.

Angst vor Overblocking

Im Zentrum des NetzDG stehen die großen sozialen Netzwerke, insbesondere Facebook, YouTube und Twitter, aber auch andere Social-Media-Dienste wie Instagram, Soundcloud oder Pinterest. Diese US-Unternehmen sind nun damit betraut worden, Beiträge auf ihre Vereinbarkeit mit deutschen Recht zu überprüfen. Eine Aufgabe die nach Ansicht vieler Kritiker besser ein deutsches Gericht übernehmen sollte. Zudem fürchteten viele eine Einschränkung der Meinungsfreiheit im Internet. Die Plattformen könnten vorschnell und ohne genauere Prüfung alle Inhalte löschen, die ihnen gemeldet werden, um die hohen Bußgelder zu umgehen - Overblocking nannte man diese Phänomen, von dem man noch gar nicht wusste ob es eintreten werde.

Heute: Viele Meldungen, wenig Löschungen

Heute, ein Jahr später, gehen die Meinungen nach wie vor auseinander.

Kritiker fühlten sich Anfang des Jahres prompt bestätigt, als Twitter einen Beitrag des Satiremagazins ‘Titanic’ löschte. Tatsächlich tun sich Facebook, Twitter und co. schwer mit Ironie, Satire und Sarkasmus. Oft wird schlicht jeder Beitrag geblockt, der bestimmte Begriff enthält. In welchem Kontext solche Vokabeln stehen, wird kaum berücksichtigt.

Von einer Overblocking-Welle kann dennoch keine Rede sein. Die Zahl der gemeldeten Beiträge ist im Schnitt deutlich gestiegen. Dennoch erfolgte in 70-90 Prozent der Meldungen keine Löschung des Beitrags. Weshalb diese Beiträge nicht gelöscht wurden kann verschiedene Gründe haben, geht aus den ersten Halbjahresberichten der Netzwerke jedoch nicht hervor. Möglicherweise werden Beiträge missbräuchlich gemeldet, oder vom Nutzer irrtümlich für rechtswidrig gehalten.

Insgesamt werden rechtswidrige Beiträge jedoch in aller Regel innerhalb der vorgegebenen 24 Stunden entfernt.

Erste positive Entwicklungen

Zu beobachten ist, dass die Unternehmen ihre eigenen Community-Richtlinien seit dem NetzDG restriktiver auslegen. Nach einer Meldung prüfen die Unternehmen zunächst einen Verstoß gegen diese eigenen Richtlinien. Liegt ein solcher vor, wird der Beitrag komplett gelöscht. Kommen die Prüfer zu dem Ergebnis, das zwar kein Verstoß gegen die Netzwerk-AGB vorliegt, aber eine Rechtsverletzung im Sinne des NetzDG, bleibt der Beitrag online, wird aber für deutsche Nutzer gesperrt.

Eine weitere deutliche positive Entwicklung sehen Betroffene zudem darin, dass das NetzDG die Betreiber von Sozialen Netzwerken dazu verpflichtet, eine deutsche Postanschrift zu benennen. So ist es endlich möglich auf juristischem Weg Kontakt zu den Betreibern aufzunehmen.

Noch lange nicht perfekt

Verbesserungspotenzial besteht allerdings noch bei der Ausgestaltung der Meldemöglichkeiten. Diese werden von den Netzwerken nach eigenen Regeln eingerichtet, sind also sehr verschieden ausgestaltet. Vor allem bei Facebook ist der Weg zum NetzDG-Meldeformular zudem äußerst kompliziert. Das könnte der Grund dafür sein, dass bei Facebook im Vergleich zu Youtube und Twitter die mit Abstand wenigsten Meldungen eingegangen sind. Mitunter wurden sogar Löschungsmeldungen, die nicht auf dem vorgesehenen Weg eingereicht wurden, unter Verweis auf das Spezialformular abgelehnt.

Ob in den sozialen Medien ein Jahr nach Inkrafttreten des NetzDG nun tatsächlich weniger Hass und Hetze, weniger Gewalt und Beleidigungen und weniger Fake-News zu finden sind, kann zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht gesagt werden. Fest steht, perfekte Verhältnisse herrschen im Internet noch lange nicht, die viel gefürchtete Overblocking-Welle ist aber auch nicht eingetreten.

Wie geht es jetzt weiter?

Das Gesetz sieht selbst eine Überprüfung der bestehenden Regelungen während der laufenden Legislaturperiode vor. Eine erste Evaluation dürfen wir also bis spätestens 2021 erwarten. Bisher liegen lediglich erste Halbjahresberichte vor, die das Gesetz von Facebook, Twitter und Youtube verlangte, und die derzeit von der zuständigen Verwaltungsbehörde, dem Bundesamt für Justiz, geprüft werden. Eine umfassende Neuregelung durch den deutschen Gesetzgeber, wie sie von einigen gefordert wird, ist somit in naher Zukunft eher nicht zu erwarten.

Während sich der deutsche Gesetzgeber also zunächst um eine Auswertung der erzielten Ergebnisse kümmern will, hat die EU ganz andere Pläne für das Medienrecht bzw. Internetrecht. EU-Sicherheitskommissar Julian King verkündete kürzlich, dass die EU neue und strengere Löschregelungen anstrebe. So sollen insbesondere terroristische Inhalte bereits eine Stunde nach einer Meldung an das betroffene soziale Netzwerk gelöscht werden.

Dass eine derart schnelle Löschung nicht unmöglich ist, bestätigte Facebook bereits selbst. Dank künstlicher Intelligenz könnten Inhalte bereits während des Uploads gefiltert werden, weshalb die Löschquote bei Terrorinhalten bereits bei 99 Prozent liege.

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