Katholische Scheidung - voll im Trend

Warum annuliert die Kirche Ehen und wie macht sie das?

Veröffentlicht am: 08.11.2017
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Warum annuliert die Kirche Ehen und wie macht sie das?

Ein Beitrag von Bernfried Rose

Es gibt einen Boom im Familienrecht. Der findet nicht statt bei den Eheschließungen oder Scheidungen – bei beiden sind die Zahlen seit Jahren konstant. Im Trend liegt vielmehr Annulierung der Ehe durch ein katholisches Kirchengericht. Um 70 Prozent sind die Anträge auf ein solches Verfahren Presseberichten zufolge 2016 gestiegen. Warum eigentlich?

Ehebruch trotz Scheidung?

Antragsteller sind Katholiken, die nach einer Scheidung erneut heiraten wollen. Nach christlicher Vorstellung ist das nicht erlaubt. Jesus Christus persönlich „Wer seine Frau aus der Ehe entlässt und eine andere heiratet, begeht ihr gegenüber Ehebruch“. Ein Vergehen, das – auch hier zeigt die Bibel klare Kante – mit dem Tode zu bestrafen ist.

Das könnte hartgesottenen Betroffenen eigentlich egal sein. Immerhin findet sich weder der Ehebruch noch die Todesstrafe im aktuellen Strafgesetzbuch. Und auch das Jüngste Gericht hat viel von seinem Schrecken verloren.

Beides braucht die Kirche heute jedoch nicht, um christliche Werte in der Gesellschaft hochzuhalten. Schließlich ist man Deutschlands größter nichtstaatlicher Arbeitgeber und gönnt sich ein eigenes kirchliches Arbeitsrecht. Das erlaubt es, Mitarbeiter bei Eingehung einer zweiten Ehe zu kündigen oder entsprechende Bewerber bei Neueinstellungen nicht zu berücksichtigten. Von der Putzfrau über den Organisten bis zum Chefarzt - in kirchlichen Einrichtungen weht ein religiöser Wind.

Bis das der Tod Euch scheidet – oder der Pastor die Ehe annuliert

Wie können sich Betroffene nach einer Scheidung einem neuen Partner zuwenden ohne die Gunst der kirchlichen Gemeinde zu verlieren? Der Vatikan hat auch für dieses Dilemma eine Lösung. Ein Kirchengericht kann die erste Ehe annulieren. Damit ist die erste Ehe nichtig, auf eine Scheidung kommt es nicht an und der (vermeintlich) Geschiedene kann sich mit seinem neuen Partner erneut vor dem Altar ewige Treue versprechen. Einer Anstellung bei einem kirchlichen Arbeitgeber steht dann nichts mehr im Wege.

Die Annulierung der ersten Ehe erfolgt vor einem Kirchengericht im Rahmen einer sogenannten Ehenichtigkeitsklage.

Fehlender Kinderwunsch, Untreue-Phantasien und andere Willensmängel bei der Eheschließung

Die Klageschrift stützt sich regelmäßig auf sogenannte Ehewillens-Mängel. Darunter fallen nicht nur die Schein- und Zwangsehe. Auch wenn ein Ehegatte bei der Heirat insgeheim gar nicht von der Unauflöslichkeit der Ehe ausging, die Absicht zur ehelichen Treue nur vortäuschte oder ihm der Kinderwunsch fehlte, kann die Ehe vom Kirchengericht annuliert werden.

Was sich bei der Heirat im Kopf der Eheschließenden abspielte, muss durch Zeugenaussagen von Angehörigen, Freunden, Nachbarn etc. und Dokumente wie psychiatrische Gutachten geklärt werden. Das ist sicher nicht mehr so ein Spektakel wie einst bei der Inquisition, verspricht aber dennoch einen hohen Unterhaltungswert für die Betroffenen.

Auch das weltliche Familienrecht kennt übrigens - alternativ zur Scheidung - die Annulierung der Ehe. Allerdings sind die Nichtigkeitsgründe hier nicht ganz so schillernd wie bei den Katholiken. Strategisch gibt es Konstellationen, in denen eine Annulierung der Ehe gegenüber einer Scheidung von Vorteil ist. Fragen Sie ihren Fachanwalt für Familienrecht.