Eine Rechtsanwältin als Erbschleicherin

Landgericht hält Testament für unwirksam

Dass werthaltige Nachlässe in die Hände von Erbschleichern fallen, kommt leider immer mal wieder vor. Dass Anwälte dabei auf der Seite der Täter auftauchen, ist dabei (hoffentlich) die Ausnahme. Doch genau so ein Fall lag kürzlich beim Landgericht Baden-Baden. Hierüber berichtete das Portal „BADISCHE NEUSTE NACHRICHTEN“ am 28. November 2021.

Veröffentlicht am: 07.12.2021
Qualifikation: Rechtsanwalt und Mediator in Hamburg
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Erblasserin litt an fortschreitender Demenz

Eine ältere Dame war verstorben. Sie hatte bereits im Jahr 2011 ein Testament zugunsten der Anwältin errichtet. Allerdings hatte ein Neurologe bereits einen Monat zuvor festgestellt, dass die Erblasserin aufgrund ihrer Demenz zahlreiche Einschränkungen bei Alltagsgeschäften habe und nicht mehr imstande gewesen sei, einen eigenständigen Willen zu bilden.

Das Landgericht nahm daher an, dass die Seniorin zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht mehr testierfähig war. Gemäß § 2229 BGB ist nämlich testierunfähig, „wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.“ Der in der Praxis häufigste Fall ist dabei die Demenzerkrankung des Testierenden.

Die Erklärung eines Testierunfähigen ist von Anfang an ungültig und muss daher auch nicht von denjenigen angefochten werden, die ohne das Testament rechtmäßig Erben wären.

Erkenntnisse aus dem Strafverfahren

In der Praxis wird die Frage der Testierfähigkeit meistens im Rahmen eines streitigen Erbscheinverfahrens von Amts wegen geprüft, wenn entsprechende Anhaltspunkte von einem Beteiligten vorgetragen werden. Im vorliegenden Fall wurde aber ein ordentliches Zivilgericht angerufen. Offenbar hatte die im Testament begünstigte Rechtsanwältin eine Erbfeststellungsklage erhoben. Möglicherweise hatte sie auch zuvor ohne Erfolg einen Erbschein beim Nachlassgericht beantragt.

Für den Außenstehenden wirkt das verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Anwältin zuvor wegen desselben Sachverhalts von einem Strafgericht zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren wegen Betrugs und Untreue verurteilt worden war. Schon im Strafverfahren war festgestellt worden, dass die Erblasserin testierunfähig war. Und auf diese Erkenntnisse stützte sich nun auch das Zivilgericht.

Achtung Erbschleicher

Dem Medienbericht ist auch zu entnehmen, dass die Rechtsanwältin zu Lebzeiten bereits als Betreuerin der Erblasserin tätig war und es zu erheblichen Vermögensverschiebungen zu ihren Gunsten kam. Was vom Vermögen noch übrig war, sollte offenbar durch das Testament auch an die Anwältin fließen.

Der Fall ist insoweit typisch, als dass auf der Basis einer gerichtlichen Betreuung durch eine familienfremde Person die Möglichkeit eines Missbrauchs der Befugnisse besteht und ein Erbschleicher dies ausnutzen kann. Selbst wenn der betroffene Erblasser dann noch testierfähig ist, besteht die Gefahr, dass durch eine Täuschung oder Drohung dazu gebracht wird, ein Testament zu errichten, dass er eigentlich so nicht schreiben wollte. In solchen Fällen besteht dann aber für die Familienangehörigen, die als gesetzliche Erben zum Zuge kommen würden, die Möglichkeit, das Testament anzufechten.