ROSE & PARTNER - Kanzlei oder Sekte?

Welche Meinungsäußerungen Unternehmen sich gefallen lassen müssen

Veröffentlicht am: 01.08.2018
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Welche Meinungsäußerungen sich Unternehmen gefallen lassen müssen

Ein Beitrag von Bernfried Rose

Unter einer Sekte versteht man gewöhnlich eine kleine Glaubensgemeinschaft deren Anschauungen nicht immer dem gesellschaftlichen Mainstream entsprechen. In gewisser Weise trifft diese Beschreibung – hoffentlich – auch auf uns als Kanzlei zu. Schließlich stehen wir für unsere eigene Philosophie und einen besonderen Anspruch an unseren Umgang mit Mandanten und Mitarbeitern.

Sektenvorwurf gegen ein Medienunternehmen

Ungeachtet dessen ist der Begriff Sekte jedoch eher negativ behaftet – denkt man doch meist an radikale religiöse Spinner. Daher war ein Unternehmen aus der Medienproduktion auch nicht glücklich, als es von einem früheren Mitarbeiter und jetzigen Konkurrenten als „Sekte“ bezeichnet wurde. Dieser wuchs in einer Glaubensgruppe auf, die er 2012 verlassen hatte. In den Medien – unter anderem auf seinem Facebook-Profil – behauptete er, die Glaubensgruppe sei eine Sekte und stehe auch hinter seinem ehemaligen Arbeitgeber.

Sektenbezeichnung hat den Charakter eines Boykottaufrufs

Das Medienunternehmen ließ seine Anwälte von der Kette und der Streit ging bis vor das OLG Frankfurt. Die dortigen Richter sahen in der Bezeichnung des klagenden Unternehmens als Sekte einen Eingriff in dessen sozialen Geltungsbereich. Schließlich würden im allgemeinen Sprachgebrauch Sekten oft als „religiöse Gruppen bezeichnet, die in irgendeiner Weise als gefährlich oder problematisch angesehen werden“. Die Äußerung sei damit geeignet, das Unternehmen negativ zu qualifizieren.

Das Verhalten habe sogar den „Charakter eines Boykottaufrufs“, da die Aussagen gezielt gegenüber wichtigen Kunden des Unternehmens verbreitet worden seien.

Der Geltungsanspruch des Unternehmens – auch nichts mehr wert?

Rechtswidrig sei das, so das OLG, unterm Strich dennoch nicht. Hier überwiege nämlich das Recht auf freie Meinungsäußerung. Das Interesse der Klägerin am Schutz ihres sozialen Geltungsanspruchs als Wirtschaftsunternehmen müsse dahinter zurücktreten.

Auch ein Boykottaufruf könne „dem geistigen Meinungskampf“ dienen, wenn der Aufrufende sich gegenüber dem Adressaten auf den Versuch geistiger Einflussnahme und Überzeugung, also auf Mittel beschränkt, die den geistigen Kampf der Meinungen gewährleisten“. Konkret vertraten die Richter die Auffassung, bei den Aussagen hätten nicht eigene wirtschaftliche Vorteile des Beklagten, sondern die „Aufklärung und Information“ über die vorherrschenden ideologischen Wertvorstellungen und intern bestehenden Strukturen im Vordergrund gestanden.

Wie Unternehmen ihren Ruf schützen können

Die Entscheidung des Gerichts dürfte für einige nicht überzeugend und nachvollziehbar sein. Der Fall zeigt aber, wie wichtig und komplex ein effizientes Reputationsmanagement heute für Unternehmen ist. Das gilt vor allem im Hinblick auf die Möglichkeiten und Herausforderungen von sozialen Netzwerken wie Facebook,Youtube & Co.

Eine zentrale Frage im Medienrecht bzw. Reputationsrecht ist dabei stets die Abgrenzung von Meinungsäußerungen und Tatsachenbehauptungen. Sind letztere unwahr, können sie leichter aus der Welt geschafft werden als Aussagen die als Meinung zu qualifizieren sind.