Starke Adoption jetzt besser erreichen

Auch gegen den Willen der leiblichen Eltern möglich

Veröffentlicht am: 24.10.2019
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Auch gegen den Willen der leiblichen Eltern möglich

Ein Beitrag von Sybill Offergeld, Fachanwältin für Familienrecht und Erbrecht

Nicht nur die Minderjährige können als Kind angenommen, also adoptiert werden, sondern auch Volljährige. Im Wesentlichen finden bei einer Volljährigenadoption dieselben Regeln Anwendung wie bei der Minderjährigenadoption.

Es gibt aber Besonderheiten: So bleiben bei einer Erwachsenenadoption grundsätzlich die Familienbeziehungen zu den leiblichen Eltern erhalten. Das heißt, dass der Angenommene zwei Eltern hat. Es gibt aber auch die Möglichkeit die Volljährigenadoption „mit den Wirkungen der Minderjährigenadoption“ durchzuführen. Dann werden – eben wie bei der Minderjährigenadoption – die Beziehungen zu den leiblichen Eltern getrennt. Das nennt man starke Adoption.

Die „Interessen“ der leiblichen Eltern

Eine Adoption wird immer vom Familiengericht geprüft und sodann vom Familiengericht ausgesprochen. Bei der starken Volljährigenadoption hat das Gericht die leiblichen Eltern anzuhören, denn hier stellt das Gesetz eine Hürde auf: „Eine solche Bestimmung darf nicht getroffen werden, wenn ihr überwiegende Interessen der Eltern des Anzunehmenden entgegenstehen.“

Was können nun diese überwiegenden Interessen sein? Gemeint sind meist Unterhaltsansprüche oder Erbansprüche der leiblichen Eltern.

Denn auch Kinder sind ihren Eltern gegenüber zum Unterhalt verpflichtet, wenn diese selbst nicht mehr für ihren Bedarf aufkommen können. Und sollten Kinder vor ihren Eltern versterben – was zwar selten aber leider nicht ausgeschlossen ist – so erben die Eltern auch, wenn die Kinder nicht eigene Kinder haben.

Die Prüfung des Gerichts

Hier hat das Gericht eine Gesamtabwägung vorzunehmen. Es muss prüfen, ob die Annahme sittlich gerechtfertigt ist. Dabei wägt es also die Interessen des Annehmenden und die der leiblichen Eltern ab.

Hierzu hatte das OLG Frankfurt a. M. (Beschl. v. 24.6.2019 – 1 UF 178/19, BeckRS 2019, 1326) eine Entscheidung zu treffen:

Die volljährige Anzunehmende ist unverheiratet und hat keine Kinder. Die Ehe ihrer Eltern wurde geschieden. Die leibliche Mutter der Anzunehmenden hat 1,5 Jahre lang Unterhalt für die Anzunehmende in geringer Höhe geleistet, dann stellte sie die Zahlungen komplett ein. Auch nach Eintritt der Volljährigkeit und Aufnahme eines Studiums der Anzunehmenden zahlt die leibliche Mutter nichts. Der Kontakt brach völlig ab. Einem BAföG-Antrag der Anzunehmenden wurde nicht entsprochen, weil die leibliche Mutter Angaben zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen verweigerte. Die Anzunehmende lebt seit ihrem achten Lebensjahr im Haushalt ihres Vaters und seiner Lebensgefährtin. Diese beantragt die Volljährigenadoption mit den Wirkungen einer Minderjährigenadoption.

Die erste Instanz, also das Amtsgericht Frankfurt a. M. lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass eine „starke“ Adoption die unterhaltsrechtlichen Interessen der leiblichen Mutter der Anzunehmenden verletze. Dagegen legte die Annehmende Beschwerde ein, das Oberlandesgericht entschied erneut:

Zwar komme eine „starke“ Volladoption nicht in Betracht, wenn überwiegende ideelle oder vermögensrechtliche Interessen der Eltern (oder eines Elternteils) des Anzunehmenden entgegenstehen; durch diese Vorschrift verdeutliche der Gesetzgeber, dass die sittliche Rechtfertigung der Volladoption auch im Hinblick auf entgegenstehende Elterninteressen zu prüfen ist. Vorliegend verdienten die unterhaltsrechtlichen Interessen der leiblichen Mutter jedoch keine Berücksichtigung. Die Nichtzahlung von Unterhalt über 15 Jahre hinweg und die Verweigerung der Mitwirkung an dem BAföG-Antrag der Anzunehmenden seien ausreichend, um die Interessen der leiblichen Mutter hinter das Interesse der Anzunehmenden an einer vollständigen auch rechtlichen Eingliederung in ihre soziale Familie vorliegend zurücktreten zu lassen.

Praxishinweis:

Diese Entscheidung des OLG hat die bisherige Rechtsprechung verfeinert und die Hürden für eine starke Adoption herabgesetzt. Bisher nämlich waren die Interessen der leiblichen Eltern in den meisten Fällen zu berücksichtigen und standen dann einer starken Adoption entgegen, jedenfalls dann, wenn sie selbst eine Zeitlang Unterhalt gezahlt hatten – nun gibt es eine weitere Argumentationslinie.