Wie vererblich ist die Persönlichkeit?

Kohl-Witwe kämpft um Geldentschädigung

Veröffentlicht am: 14.12.2021
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Kohl-Witwe kämpft um Geldentschädigung

Ein Beitrag von Anna-Maria Blömer

Kommt es zum Erbfall, stellt sich häufig die Frage was denn überhaupt alles zum Nachlass gehört. Nicht selten entwickelt sich daraus ein Erbstreit, den es beizulegen gilt. Der Nachlass umfasst zwar alle vererblichen Güter und Rechtspositionen, deren Inhaber der Erblasser war. Im Fall des Rechtsstreits um die Kohl-Zitate zwischen der Witwe des Altkanzlers und den Autoren des Buches „Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle“ sowie dem Verlag, in welchem das Buch mit den in Rede stehenden Zitaten erschienen war, stellte sich aber die Frage, ob Ansprüche auf Geldentschädigung wegen verletzter Persönlichkeitsrechte auch vererblich sein können (BGH, Urteil vom 29.11.2021 - VI ZR 248/18; VI ZR 258/18).

Langjähriger Streit um Kohl Nachlass geht weiter

Der Rechtsstreit war noch zu Lebzeiten Kohls entstanden und das Verfahren nach seinem Tod mit seiner Witwe weitergeführt worden. Das genannte Buch erschien im Oktober 2014, verfasst von zwei Journalisten. Im Text finden sich verschiedene angebliche Äußerungen des Altkanzlers Kohl. Die beiden Journalisten, hatten die Zitate bei Aufzeichnungen von Gesprächen mit Kohl selbst gesammelt, um später seine Memoiren verfassen zu können.

Ganze 116 Passagen des Buches verletzten nach Kohls Auffassung sein allgemeines Persönlichkeitsrecht. Das war der Grund, weshalb er kurz darauf eine Unterlassungsklage erhob und den langwierigen Prozess ins Rollen brachte. Neben der künftigen Unterlassung von wörtlichen oder sinngemäßen Verbreitungen der entsprechenden Passagen forderte er eine Geldentschädigung in Höhe von mindestens 5.000.000 EUR. Nachdem Kohl im Jahr 2017 verstorben war, führte seine Frau, die gleichzeitig seine Alleinerbin war, den Prozess um die  Geldentschädigungsansprüche weiter.

Witwe hofft auf Erbschaft in Millionenhöhe

Vom Kölner Landgericht wurden die Journalisten zwar zur Entschädigungszahlung von 1.000.000 EUR verurteilt, aber die Klage im Übrigen abgewiesen. Nach der Berufung wurde die Leistungsklage vom Oberlandesgericht Köln vollumfänglich abgewiesen. Grund dafür war, dass ein Anspruch auf Zahlungsentschädigung aufgrund einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht vererblich und damit spätestens mit Eintreten des Todes des Altkanzlers erloschen sei.

Gegen dieses Urteil wiederum legte die Witwe Revision ein. Nachdem allerdings einer der beiden beklagten Journalisten ebenfalls verstarb, wurden die verschiedenen Verfahren nach einigen zuvor geführten Revisionen und Berufungen erst einmal unterbrochen. Einziger Gegenstand der ausgesprochenen Urteile blieben die gegen den verbleibenden Journalisten und den Verlag gelten gemachten Ansprüche auf Zahlungsentschädigung sowie der einzig gegen den Verlag gerichtete Unterlassungsanspruch.

Gehören Ansprüche auf Geldentschädigung zum Nachlass?

Die Revision der Witwe wurde vom BGH hinsichtlich der Erbschaft der Geldentschädigung zurückgewiesen. Begründet hatten das die Karlsruher Richter damit, dass im Rahmen von Ansprüchen auf Geldentschädigung wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine grundsätzliche Unvererblichkeit vorherrscht. Da beim Geldentschädigungsanspruch der Genugtuungsgedanke im Mittelpunkt stehe, laufe dieser ins Leere, wenn der Anspruchsinhaber bereits verstorben ist – so der Gerichtshof. Außerdem seien gewichtige Gründe, wie zum Beispiel besondere Umstände, die ein Abweichen im Einzelfall gerechtfertigt hätten, nicht ersichtlich gewesen.

Vor allem aber sei es nicht möglich, Geldentschädigungsansprüche bloß deshalb zu vererben, weil sie dem Erblasser noch zu Lebzeiten zugesprochen wurden – vorausgesetzt das Urteil ist bei Eintritt des Todes noch nicht rechtskräftig.

BGH: Erbschaft von Geldansprüchen aus Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht möglich

Zwar wurde der Anspruch auf die millionenschwere Geldentschädigung als nicht vererbbar abgewiesen, aber im Rahmen des Unterlassungsanspruchs hatten die Revisionen beider Parteien teilweise Erfolg. Gegenüber dem Verlag sprachen sich die Richter dafür aus, dass im Buch abgedruckte Fehlzitate künftig weder veröffentlicht noch verbreitet werden dürfen.

Innerhalb dieses Rahmens bestünde eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Altkanzlers durch die von ihm angegriffenen Buchpassagen. Denn Fehlzitate, welche das postmortale Persönlichkeitsrecht eines Verstorbenen verletzen, dürften nicht sinngemäß veröffentlicht oder verbreitet werden, so der BGH.

Aber alles, was nicht einem Fehlzitat gleichsteht, unterliege wiederum nicht der Unterlassungspflicht des Verlags. Und für den Fall, dass sich die Richtigkeit oder Falschheit von Passagen noch nicht beurteilen lasse, sei das OLG nun verpflichtet, entsprechende Feststellungen nachzuholen.

Was ist grundsätzlich immer vom Nachlass umfasst?

Der Nachlass umfasst alle vererblichen Güter und Rechtspositionen, deren Inhaber der Erblasser gewesen ist. Dies ist generell erst einmal sämtliches Eigentum des Erblassers, jedoch auch alle vertraglichen Ansprüche, die ihm zu Lebzeiten zustanden. Der Erbe oder die Erben rücken zudem in alle Verträge ein, die der Erblasser mit Dritten geschlossen hatte.

Gleichzeitig mit den Vermögenswerten übernimmt der Erbe aber auch alle vertraglichen Verpflichtungen und Verbindlichkeiten des Erblassers, die sogenannten Erblasserschulden. Daneben muss ein Erbe zusätzlich für die Erbfallschulden, also die Bestattungskosten und die Kosten der Grabstelle sowie für potentielle Kosten des Nachlassgerichts (Testamentseröffnung, Erbschein) aufkommen.

In der Praxis werden Nachlass-Positionen in sogenannten Nachlassverzeichnissen zusammengestellt. Solche Nachlassverzeichnisse muss zum Beispiel der Erbe gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten erstellen oder auch gegenüber dem Nachlassgericht bei der Beantragung eines Erbscheins (zur Kostenfestsetzung). Außerdem ist die Errichtung eines Nachlassverzeichnisses eine der Pflichten eines Testamentsvollstreckers.