Pflichtteil des unehelichen Kindes
Vaterschaftsfeststellung & Verjährung
Wenn Kinder ihren Pflichtteil fordern, muss gegebenenfalls auch die Vaterschaft geklärt werden.
Uneheliche Kinder sind im deutschen Erbrecht den ehelichen Abkömmlingen gleichgestellt. Das gilt auch für den Pflichtteil. Allerdings müssen nichteheliche Kinder im Erbfall gelegentlich erst die Vaterschaft des Verstorbenen beweisen. Wann in diesen Fällen die Verjährung einem Pflichtteilsanspruch entgegensteht, musste kürzlich der Bundesgerichtshof entscheiden (BGH, Urteil vom 12. März 2025 - Az IV ZR 88/24).
Nichteheliche Tochter im Testament enterbt
In dem Fall war ein Mann am 5. August 2017 verstorben. Er hatte zuvor seinen eingetragenen Lebenspartner im Testament als Alleinerben eingesetzt. Die nichteheliche Tochter des Erblassers erfuhr davon noch in 2017. Am 5. Mai 2022 leitete sie ein Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft beim Amtsgericht ein. Durch dieses wurde am 30. Juni 2022 festgestellt, dass der Verstorbene der leibliche Vater war.
Die Tochter machte dann in 2023 ihren Pflichtteil geltend. Sie verlangte zunächst erfolglos Auskunft und erhob dann eine Klage beim Landgericht. Als sie dort unterlag, weil der Erbe sich erfolgreich auf die Einrede der Verjährung berufen hatte, kam es zur Berufung beim Oberlandesgericht. Dort verneinten die Richter eine Verjährung, weil die Tochter erst die Vaterschaft hätte feststellen müssen, bevor sie den Pflichtteil einklagen konnte. Der Streit ging allerdings weiter in die dritte Runde, sodass letztlich der BGH entscheiden musste.
Pflichtteil entsteht nicht erst mit der postmortalen Feststellung der Vaterschaft
Die Richter in Karlsruhe hoben das Berufungsurteil auf, da auch sie eine Verjährung der Pflichtteilsansprüche annahmen. Pflichtteilsansprüche und die daran hängenden Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche verjähren nach drei Jahren, wobei der Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres beginnt, in dem der Berechtigte vom Erbfall und der Enterbung Kenntnis erlangt hat oder grob fahrlässig nicht erlangt hat. § 2317 Absatz 1 BGB bestimmt, dass der Pflichtteil mit dem Erbfall entsteht - in unserem Fall also im Jahr 2017.
Man könnte sich mit dem Landgericht auf den Standpunkt stellen, dass der Anspruch vorliegend erst mit der Feststellung der Vaterschaft des Erblassers im Jahr 2022 entstanden ist und dafür auf § 1600d Absatz 5 BGB verweisen: “Die Rechtswirkungen der Vaterschaft können, soweit sich nicht aus dem Gesetz anderes ergibt, erst vom Zeitpunkt ihrer Feststellung an geltend gemacht werden.” Das lehnte der BGH jedoch ab und verwies auf den eindeutigen Wortlaut des § 2317 BGB: Der Anspruch auf den Pflichtteil entsteht mit dem Erbfall." Verjährungsregeln, so der BGH, müssten im Interesse des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit möglichst klar und formell sein.
Abstammungsrecht trifft Pflichtteilsrecht
Auf den ersten Blick ist die Entscheidung des BGH gut nachvollziehbar. Für den Erben scheint es kaum zumutbar, dass noch viele Jahre nach dem Erbfall Pflichtteilsansprüche gegen ihn geltend gemacht werden, weil plötzlich aufgrund eines postmortalen Vaterschaftstests ein nichteheliches Kind auftaucht. Andererseits muss der Erbe aber auch noch bis zu 30 Jahre damit rechnen, dass plötzlich ein enterbter Angehöriger vor der Tür steht, der zunächst nichts vom Erbfall und der Enterbung mitbekommen hat. Insoweit sind Erben wohl gut beraten, den Nachlass nicht zeitnah zu verprassen. Man weiß ja nie…
Video: Pflichtteil geltend machen
Rechtsanwalt Bernfried Rose erklärt in diesem Video, wie man als enterbter Angehöriger erfolgreich seinen Pflichtteil vom Erben einfordert.