Änderung unrichtiger Steuerbescheide

Einspruch nach Eintritt der Bestandskraft

Veröffentlicht am: 16.07.2019
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Einspruch nach Eintritt der Bestandskraft

Ein Beitrag von Dirk Mahler, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater in Berlin

Der Bundesfinanzhof (BFH) musste sich mit seinem Urteil vom 24.01.2019 (Aktenzeichen V R 32/17) mit der Abänderbarkeit von Steuerbescheiden zugunsten des Steuerpflichtigen nach Eintritt der Bestandskraft in einem Fall der sogenannten offenbaren Unrichtigkeit befassen.

Regeln und Ausnahmen beim Einspruch gegen den Steuerbescheid

Bei Steuerbescheiden tritt in der Regel ein Monat nach Bekanntgabe die sogenannte formelle Bestandskraft ein. Bis zu diesem Zeitpunkt können die Festsetzungen eines Steuerbescheides mittels Einspruch angefochten werden. Nach Eintritt der Bestandskraft ist eine Änderung nur noch in wenigen Fällen und dann unter ganz besonderen Voraussetzungen möglich.

Eine solche Ausnahme ist in § 129 der Abgabenordnung geregelt. Diese betrifft offenbare Unrichtigkeiten beim Erlass des Steuerbescheides. Demnach kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Offenbar ist eine Unrichtigkeit, wenn sie klar auf der Hand liegt, durchschaubar, eindeutig oder augenfällig ist. Übernimmt die Finanzverwaltung eine fehlerhafte Berechnung des Steuerpflichtigen, dann macht sie sich diese Fehler zu eigen und die Möglichkeit der Änderbarkeit bleibt bestehen. 

Die Berichtigung eines Rechtsirrtums oder eines Sachaufklärungsfehlers ist nach dieser Vorschrift nicht möglich. Die Frage, ob nun ein nicht abänderbarer Irrtum oder eine offenbare Unrichtigkeit vorliegt, lässt sich in der Praxis nur sehr schwer ermitteln, da hierzu die Arbeitsweise und möglichen Gedankengänge des jeweiligen Sachbearbeiters nachzuvollziehen sind. Dies ist regelmäßig nur nach Akteneinsicht möglich.

Entscheidung des BFH

Genau diese notwendige Abgrenzung hat der BFH in seiner kürzlich hierzu ergangenen Entscheidung vorgenommen.

Bei dem klagenden steuerpflichtigen Unternehmen wurde die Umsatzsteuer für den Zeitraum von drei Jahren durch eine Außenprüfung überprüft. Noch während der Dauer der Außenprüfung gab das Unternehmen geänderte Umsatzsteuererklärungen für die geprüften Jahre ab und berücksichtigte dabei bereits Erkenntnisse, welche im Rahmen der noch laufenden Außenprüfung gewonnen worden waren. Hierauf erließ das Finanzamt geänderte Umsatzsteuerbescheide. Nach Aufforderung des Finanzamtes erläuterte die Klägerin vollumfassend das Vorgehen.

Nach Abschluss der Außenprüfung wurden alle geprüften Sachverhalte und die sich daraus ergebenen Änderungen umfassend im Betriebsprüfungsbericht dargestellt, und zwar ungeachtet der Tatsache, dass diese bereits teilweise Gegenstand der geänderten Bescheide waren. Auf der Grundlage des Betriebsprüfungsberichtes erließ das Finanzamt geänderte Steuerbescheide, mit der Folge, dass die Sachverhalte insoweit doppelt zu Lasten des Steuerpflichtigen berücksichtigt worden waren. Dies fiel den Steuerpflichtigen jedoch erst nach Ablauf der Einspruchsfrist auf.

Die Finanzverwaltung verweigerte die begehrte Änderung der Bescheide, da sie der Auffassung war, dass es sich um einen unbeachtlichen Sachaufklärungsfehler handelte.

Der BFH hat sich dagegen ausführlich mit den Vermerken des Sachbearbeiters aus den Akten auseinandergesetzt. Dieser hatte beim Erlass der endgültigen Steuerbescheide seine eigenen Vermerke übersehen und alleine deshalb bei der Auswertung des Berichts dessen vollständige Ergebnisse übernommen, ohne – wie er selbst vermerkt hat – die bereits zuvor berücksichtigten Erhöhungen zum Abzug zu bringen.

Kommentar zur Entscheidung und Praxishinweise

Nach Kenntnis des vollständigen Sachverhaltes ist das ergangene Urteil nicht überraschend.

Es zeigt erneut deutlich die Grenzen der Abänderbarkeit von Steuerbescheiden auf. Wird ein Fehler nach Ablauf der Einspruchsfrist festgestellt, müssen die Voraussetzungen sehr genau geprüft werden.

Sollte das Finanzamt die begehrte Änderung versagen, liegt ein erneuter Steuerbescheid vor. Auch dieser ist nur innerhalb der Einspruchsfrist abänderbar. Spätestens dann sollte ein spezialisierter Fachanwalt für Steuerrecht oder Steuerberater hinzugezogen werden.