Aktuelle Irrtümer in der Erbschaftsteuer-Debatte

Höhere Steuerwerte, höhere Freibeträge?

Die Diskussion um eine vermeintliche Erhöhung der Erbschaftsteuer und eine mögliche Anpassung der Freibeträge ist geprägt von Desinformation und Ideologie.

Veröffentlicht am: 03.12.2022
Qualifikation: Rechtsanwalt & Mediator
Lesedauer:

In den letzten Tagen hat die Debatte rund um die „Erhöhung der Erbschaftsteuer durch die Hintertür“ an Fahrt aufgenommen. Das Jahressteuergesetz ist inzwischen durch den Bundestag und zuletzt scheiterte am 1. Dezember ein Antrag der Unionsparteien, die Freibeträge bei Erbschaften und Schenkungen zu erhöhen.

Wurde die Erbschaftsteuer von der Ampel-Koalition erhöht?

Die Erbschaftsteuer wurde formal nicht erhöht. Steuerklassen, Steuersätze und Freibeträge bleiben gleich. Allerdings wird die Bewertung von Immobilien für die Erbschaft- und Schenkungsteuer an die Immobilienwertermittlungsverordnung angepasst, die in 2021 noch während der Kanzlerschaft von Angela Merkel modernisiert wurde.

Die Änderungen im Bewertungsgesetz werden bei Immobilien, die unter Anwendung der bisherigen Ertrags- und Sachwertverfahren, zu niedrig bewertet wurden, zu einer Annäherung an den tatsächlichen Verkehrswert führen. Das ist zwingend notwendig, um die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu erfüllen, dass in einer ungerechtfertigten Bevorzugung von Immobilienerbschaften gegenüber anderen Vermögenswerten wie Geld- und Wertpapiervermögen als Verstoß gegen die gemäß Art. 3 GG gebotene Steuergerechtigkeit wertet.

Führen die Änderungen im Bewertungsgesetz in vielen Fällen zu einer Erhöhung der Erbschaftsteuer um annähernd 50 Prozent?

Die CDU/CSU spricht in Ihrem Antrag auf Erhöhung der Freibeträge von Steuererhöhungen von „annähernd 50 Prozent“. Dabei handelt es sich – genau wie bei allen in den Medien genannten Prozentsätze – um willkürliche Werte, die auf fiktiven Beispielen beruhen. Ob, und inwieweit eine Erbschaft oder Schenkung aufgrund der Änderungen im Jahressteuergesetz höher besteuert wird, hängt unter anderem von folgenden Faktoren ab:

  • Gehören zu Erbschaft/Schenkung Immobilien?
  • Welchen Anteil hat der Wert der Immobilien an der gesamten Zuwendung?
  • Ist die Immobilie von der Erbschaft- und Schenkungsteuer befreit (z.B. als Familienheim)?
  • Welches Verfahren kommt für die Immobilienbewertung zur Anwendung?

Bei den Beispielen in den Medien liegt der bisherige Immobilienwert meist unter oder knapp über dem Freibetrag, was bei einer Erhöhung des Steuerwerts zu einer gehebelten Erhöhung der Steuer führt.

„Sorgen“ dürfen sich die Erben machen, die Grundeigentum erben, das nicht als Familienheim steuerbefreit ist, dessen Wert über dem Freibetrag liegt und dessen Bewertung nicht nach dem Vergleichsverfahren erfolgt.

Ideologie trifft Steuerrecht

Die Erbschaftsteuer hat eine rechtliche und eine ideologische Dimension. Diese beiden sollte man nicht miteinander vermischen. Politisch kann man diskutieren, ob die Erbschaft- und Schenkungsteuer ganz abgeschafft oder deutlich erhöht werden sollte. Das gilt auch hinsichtlich der Freibeträge, für dessen Beibehaltung bzw. Erhöhung die politischen Lager ihre jeweiligen Argumente haben.

Auf der anderen Ebene dürfen die Steuerbefreiungen für Immobilien nicht vergessen werden. Die steuerfreie Vererbung des Familienheims an Ehegatten und Kinder gilt unabhängig vom Wert der Immobilie. Daneben bedarf es nicht nur eine weiteren Privilegierung auf der Bewertungsebene, die ohnehin vom Bundesverfassungsgericht einkassiert würde. Will man auch für sonstiges Vermögen, also etwa vermietete Immobilien oder auch Wertpapierdeopts die Erben begünstigen, bleiben halt die Freibeträge als Stellschraube.