Ausschluss des Versorgungsausgleichs bei langer Trennung?

Beschluss des OLG Frankfurt a.M.

Veröffentlicht am: 02.01.2022
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Beschluss des OLG Frankfurt a.M.

Ein Beitrag von Sybill Offergeld, Fachanwältin für Familienrecht in Berlin

Der Versorgungsausgleich sichert bei der Scheidung der Ehe beiden Partner*innen eine gerechte Verteilung der während der Ehe erworbenen Rentenansprüche. Es gilt Halbe-Halbe; alle Ansprüche werden halbiert. In bestimmten Konstellationen erscheint diese Aufteilung als unfair und dann ist es gesetzlich möglich, sich auf eine eingeschränkte Ausgleichspflicht zu berufen. Vom OLG Frankfurt am Main gab es diesbezüglich am 11. November 2021 einen interessanten Beschluss (Az: 4 UF 205/21).

Versorgungsausgleich und Ausschluss

Grundlage für den Versorgungsausgleich ist der Gedanke, dass das Paar in einer Versorgungsgemeinschaft lebt. Wird diese Gemeinschaft durch Trennung beendet, ohne dass es zeitnah zu einer Scheidung kommt, kann dies dazu führen, dass der Ausgleich unbillig wäre, wenn erst viele Jahre später einer der Beteiligten den Ausgleich verlangt.

Für eine gerechte Entscheidung sind alle Umstände zu berücksichtigen

Allein eine lange Trennung genügt allerdings nicht ohne weiteres. Geprüft werden zusätzlich immer sämtliche Umstände des Einzelfalls. Eine Rolle spielt das Alter der Beteiligten, ihre Möglichkeiten sich eine ausreichende Altersvorsorge aufzubauen sowie die gegenwärtige und künftige wirtschaftliche Situation der Beteiligten allgemein.

Voraussetzungen für Ausschluss des Ausgleichs

Im Fall, der der Entscheidung des OLG Frankfurt zugrunde liegt, waren die Eheleute 35 Jahre verheiratet gewesen. Sie hatten 24 Jahre zusammen gelebt und 11 Jahre getrennt. Das Gericht befand zunächst, die elfjährige Trennungsdauer als ausreichend an, um den Versorgungsausgleich für diese Zeit auszuschließen. Tat dies dann jedoch nicht.

Gemeinsame steuerliche Veranlagung bedeutet Versorgungseinheit

Das Gericht hinterfragte nämlich auch das Steuerverhalten der Beteiligten. Eine gemeinsame Veranlagung zur Einkommenssteuer ist nur bis zum Ablauf des ersten Trennungsjahres zulässig. Wird trotz Trennung die gemeinsame steuerliche Veranlagung fortgeführt, so das Gericht, fehlt es an der steuerlichen Verselbständigung. Die eheliche Versorgungsgemeinschaft ist daher trotz der Trennung nicht vollständig aufgehoben. Die Steuer(un-)ehrlichkeit dürfte eine entscheidende Rolle gespielt haben.

(Nicht) grob unbillig

Im zu entscheidenden Fall befand das Gericht es nicht als grob unbillig, den Versorgungsausgleich durchzuführen, da auch keine zusätzlichen Umstände dies hätten rechtfertigen können. Es lässt sich festhalten, dass eine lange Trennungsdauer nicht unbedingt ausreicht, um den Versorgungsausgleich als unbillig anzusehen. Beträgt die Trennungszeit allerdings ein Drittel der Ehezeit sieht die Rechtsprechung dies grundsätzlich als ausreichend für einen Ausschluss an.

Ausnahmen möglich

Auch im Falle einer Ein-Drittel-Trennungszeit können besondere Umstände dazu führen, dass letztlich keine grobe Unbilligkeit gegeben ist. Es lässt sich jedoch vor allem aus der Entscheidung der Schluss ziehen, dass eine nur räumliche Trennung nicht genügt, um von einer wirtschaftlichen Verselbständigung auszugehen.