Die Erbschaftsteuer bleibt anwendbar - vielleicht...

Kolossales Versagen des Gesetzgebers

Veröffentlicht am: 27.02.2019
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Kolossales Versagen des Gesetzgebers

Ein Beitrag von Helge Schubert, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater

Das Bundesverfassungsgericht hatte mit Urteil vom 17. Dezember 2014 das Erbschaftsteuergesetz für verfassungswidrig erklärt. Grund war, dass die privilegierenden Steuerfreistellungen bei der Übertragung von Unternehmen und Unternehmensanteilen unverhältnismäßig und mit der Verfassung als unvereinbar sind.

Das Bundesverfassungsgericht hat aber im Hinblick auf die sonst drohenden Steuerausfälle die begrenzte Fortgeltung des Erbschaftsteuergesetzes angeordnet und dem Gesetzgeber den Auftrag gegeben, bis zum 30. Juni 2016 ein verfassungsgemäßes Erbschaftsteuergesetz auf den Weg zu verabschieden.

Was lange währt, wird nicht immer gut

Eineinhalb Jahre hatte der Gesetzgeber Zeit und hat es trotzdem nicht „gebacken bekommen“, fristgerecht ein verfassungsgemäßes Erbschaftsteuergesetz aufzustellen.

Eine neue Regelung zu den Verschonungsabschlägen und Steuerfreistellung von Unternehmen und Anteilen an Unternehmen wurde erst mit dem Gesetz zur Anpassung der Erbschaftsteuer- und Schenkungssteuer an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (ErbStAnpG 2016) am 9. November 2016 im Bundesgesetzblatt verkündet. Das Gesetz sollte rückwirkend zum 1. Juli 2016 gelten.

Doch stellt sich die Frage: Sind im Zeitraum vom 1. Juli 2016 bis 9. November 2016 Erbschaften und Schenkungen nicht zu besteuern, weil eine echte Rückwirkung vorliegt?

Finanzgericht Köln hält die Fahne der Erbschaftsteuer hoch

Das Finanzgericht Köln hat nun mit Urteil von 8. November 2018 (7 K 3022/17) entschieden, dass Erbschaften und Schenkungen in dem betreffenden Zeitraum weiterhin der Erbschaftsteuer unterliegen.

Dem lag der folgende Fall zugrunde: Die Klägerin hatte ein Vermögen von 65.000 € geerbt und das Finanzamt hatte Erbschaftsteuer auf diese Erbschaft – entweder weil die Freibeträge in Steuerklasse I (von 100.000 € bis 500.000 €) bereits aufgebraucht waren oder weil das Erbe in Steuerklasse II oder III fiel, wo nur ein Freibetrag von 20.000 € gilt - festgesetzt.

Die Klage gegen die Festsetzung wurde abgewiesen. Das Finanzgericht entschied, dass zwar eine echte Rückwirkung vorliegt, aber diese Rückwirkung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände zum ErbstAnpG rechtlich verbindlich sein soll. Eine erstaunlich pro fiskalische Entscheidung.

Echt oder unecht - die Rückwirkung von Gesetzen

Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet bei rückwirkenden Gesetzen in ständiger Rechtsprechung zwischen Gesetzen mit echter Rückwirkung, die grundsätzlich nicht mit der Verfassung vereinbar sind und solchen mit unechter Rückwirkung, die grundsätzlich zulässig sind. Eine Rechtsnorm entfaltet echte Rückwirkung, wenn sie nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift. Dies ist insbesondere der Fall, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll.

Es bleibt daher spannend. Gegen das Urteil ist Revision beim Bundesfinanzgerichtshof eingelegt worden.

Übrigens: Das Erbschaftsteuerrecht sieht auch nach der Erbschaftsteuerreform nach wie vor umfangreiche Vergünstigungen für Erben von Unternehmen vor. Auch lebzeitige Übertragungen von Unternehmen sind begünstigt.  Die Voraussetzungen für die Verschonung von Unternehmensvermögen wurden jedoch verschärft und sind deutlich komplexer geworden. Es ist und bleibt aber im Regelfall möglich, Unternehmen und Unternehmensanteile steuerfrei zu übertragen.