Ehevertrag unwirksam – wer haftet?

Auch der Notar kann die Zukunft nicht vorhersehen

Veröffentlicht am: 24.09.2021
Qualifikation: Rechtsanwalt
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Eheverträge ändern in der Regel die gesetzlichen Scheidungsfolgen. Meist werden Ansprüche im Hinblick auf Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich oder nachehelichen Unterhalt ganz oder teilweise ausgeschlossen bzw. modifiziert. Ein weitreichender Verzicht auf Ansprüche bei Scheidung kann jedoch zur Unwirksamkeit des Ehevertrags wegen Sittenwidrigkeit führen. Ob der Notar, der den Vertrag beurkundet, dabei nicht nur über die geltende Rechtslage bei Vertragsschluss aufklären, sondern auch erahnen muss, wie sich die diesbezügliche Rechtslage in Zukunft entwickelt, musste das Landgericht Frankenthal kürzlich entscheiden (LG Frankenthal, Urteil vom 26.07.2021 – 4 O 47/21).

Bauer sucht Frau – und heiratet mit Ehevertrag

Dabei ging es um ein Paar, bei dem der Ehemann einen landwirtschaftlichen Betrieb in die Ehe einbrachte und die Frau ihre Rolle in die Kindererziehung und dem Haushalt suchen sollte. Auf Initiative des Mannes wurde Anfang der 90er Jahre ein Ehevertrag geschlossen, in dem beide für den Fall der Scheidung auf sämtliche gegenseitige ehe- und erbrechtlichen Ansprüche verzichteten.

300.000 Euro für 30 Jahre Ehe

Im Jahr 2019 trennte sich das Paar und es kam zum Streit über die Wirksamkeit des Ehevertrags. Das Amtsgericht sah hier die Möglichkeit der Sittenwidrigkeit, insbesondere, weil gleichzeitig der Unterhalt und der Versorgungsausgleich ausgeschlossen wurden. Letztlich zahlte der Mann seiner Ex dann eine Abfindung von 300.000 Euro.

Diese Summe wollte sich der Geschiedene dann aber von dem Notar wiederholen, der einst den Ehevertrag beurkundet hatte. Schließlich hätte er seine Frau nicht geheiratet, wenn er gewusst hätte, dass diese erfolgreich den Ehevertrag anfechten würde. Bei einer korrekten Beratung durch den Notar, wäre ihm der Schaden in Höhe von 300.000 Euro also erspart geblieben - so seine Argumentation.

Notar erfolglos auf Haftung verklagt

Die Haftungsklage des geschiedenen Ehemanns hatte keinen Erfolg. Das Gericht konnte keine schuldhafte Verletzung der Amtspflicht erkennen. Schließlich würden sich die Beratungspflichten eines Notars stets an der im Zeitpunkt der Beurkundung geltenden Rechtslage orientieren. Und zum damaligen Zeitpunkt Anfang der 90er Jahre hielt die Rechtsprechung einen Ehevertrag auch dann grundsätzlich nicht für sittenwidrig, wenn er zum Ausschluss sämtlicher Ansprüche der Ehefrau – inklusive des Versorgungsausgleichs – führte.

Vorsicht Sittenwidrigkeit

Tatsächlich kann sich die Bedeutung eines nicht klar bestimmten Rechtsbegriff wie „Sittenwidrigkeit“ im Laufe der Zeit ändern. Rechtsanwälte und Notare, die im Vorfeld der Eheschließung hinsichtlich eines Ehevertrages beraten, können solche Entwicklungen regelmäßig nicht antizipieren und haften daher auch nicht dafür. Ein umsichtiger Berater wird aber stets vorsichtig sein und Entwicklungen sowohl in der Rechtsprechung als auch bei der Gesetzgebung genau verfolgen, um eine möglichst zukunftssichere Regelung herbeizuführen. Schließlich wird derjenige, zu dessen Lasten die gesetzlichen Scheidungsfolgen abgeändert wurden, nicht selten den Wunsch verspüren, den Ehevertrag später anzufechten.

Hätte das Gericht im vorliegenden Fall grundsätzlich eine Schadensersatzpflicht des Notars anerkannt, wäre wohl noch die Frage der Höhe des Schadensersatzes zu klären gewesen. Sicher hätte der Landwirt die 300.000 Euro-Zahlung an seine Ex nicht aufwenden müssen, hätte er nicht geheiratet. Ohne Heirat hätte er aber vielleicht eine Haushälterin beschäftigen müssen, das wäre über 30 Jahre sicher teurer geworden…