Kündigung wegen möglicher Leihmutterschaft

Erfolgreiche Kündigungsschutzklage gegen die Kirche

Die Kirch redet bei privaten Belangen ihrer Mitarbeiter gerne mit. Die Grenzen zieht dabei immer wieder das Arbeitsrecht.

Veröffentlicht am: 29.06.2023
Qualifikation: Rechtsanwalt, Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht
Lesedauer:

Die Kirche hat ihre eigenen Spielregeln – auch beim Arbeitsrecht. Das musste ein Domkantor erfahren, dem die Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig fristlos kündigt, weil er sich Pläne offengehalten habe, mit seinem Ehemann seinen Kinderwunsch mit einer Leihmutter in Kolumbien zu erfüllen. Seine Kündigungsschutzklage hatte nun vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen Erfolg (LAG Niedersachsen, Urteil vom 27. Juni 2023 – 10 SA 762/22).

Kirche sieht erheblichen Loyalitätsverstoß

Den Umstand, dass der Mitarbeiter eine Leihmutterschaft nicht ausschloss, wertete die Landeskirche als so erheblichen Loyalitätsverstoß, aufgrund dessen eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zumutbar sein. Auch hätten die Diskussionen um die privaten Planungen des – bundesweit bekannten – Kirchenmusikers zu Zerwürfnissen unter Mitarbeitern geführt. Dem hielt der gekündigte Domkantor in der Kündigungsschutzklage entgegen, dass die Kirche selbst den Sachverhalt verbreitete und dem Mitarbeiter damit in seiner Reputation und möglicherweise auch finanziell geschadet habe.

Kein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung?

Die Kündigungsschutzklage hatte bereits in der ersten Instanz beim Arbeitsgericht Erfolg. Allein in der Erklärung, „sich die Möglichkeit einer Leihmutterschaft offenzuhalten“ verstoße nicht gegen eine konkrete, aus dem Selbstverständnis der Kirche folgende Loyalitätsanforderung. Schließlich habe auch ein Kirchenmitarbeiter ein Recht auf Meinungsfreiheit – zumindest solange Äußerungen keinen provokativen Charakter aufwiesen.

Das dann von der Kirche angerufene Landesarbeitsgericht sah sich nicht genötigt darüber zu entscheiden, ob die vermeintlichen Leihmutterschafts-Ambitionen des Angestellten eine außerordentliche Kündigung rechtfertigten. Schließlich habe die Kirche selbst auf ein etwaiges Kündigungsrecht verzichtet, als dem Musiker in einem Personalgespräch mitgeteilt wurde, die Leihmutterschaftspläne hätten keine dienstrechtlichen Konsequenzen.

Arbeitsrecht und Familienrecht im Schatten der Kirche

Trotz des Verbots der Leihmutterschaft in Deutschland wählen viele Paare mit unerfülltem Kinderwunsch diesen Weg, indem Sie im Ausland die Dienste in Anspruch nehmen. Weite Teile der deutschen Bevölkerung nehmen daran inzwischen keinen Anstoß mehr und eine teilweise Legalisierung ist inzwischen auch in Deutschland für die Zukunft denkbar.

Die Kirche tut sich aber nach wie vor sehr schwer, mit gesellschaftlichen Veränderungen Schritt zu halten und setzt – ungeachtet hunderttausender Kirchenaustritte – weiter auf Tradition. Im Arbeitsrecht wird sie damit aber immer wieder an Grenzen stoßen.