Quiet Quitting - aber richtig!

Pflichten aus dem Arbeitsvertrag kennen & Kündigung vermeiden

Was steckt hinter dem Phänomen des "Quiet Quitting" - und welche Pflichten muss ich aus meinem Arbeitsvertrag einhalten, um eine Kündigung des Arbeitgebers zu vermeiden? Unsere Experten im Arbeitsrecht zu Überstunden, Homeoffice & Co.

Veröffentlicht am: 20.09.2022
Qualifikation: Rechtsanwältin in Hamburg & Berlin
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Das sog. Quiet Quitting (deutsch: das stille Kündigen) liegt derzeit in aller Munde und steht symbolisch für viele gesellschaftliche Veränderungen unserer Zeit. Welches Verhalten dabei rechtmäßig ist - und was genau die Kündigung des Arbeitgebers rechtfertigt, beleuchten für Sie unsere Experten im Arbeitsrecht.

Was ist Quiet Quitting?

Der aktuelle Trend um das „Quiet Quittung“ wurde durch ein TikTok-Video ausgelöst und basiert auf einer amerikanischen Bewegung.

Die genaue Definition und das Verständnis des Begriffs ist nicht einheitlich. Am ehesten versteht man darunter wohl den „Dienst (nur) nach Vorschrift“, also die Leistung eben dessen, was absolut erforderlich ist. Der Begriff „quiet quitting“, der eine Kündigung und damit ein vorschriftswidriges Verhalten indiziert, ist daher irreführend und nicht ganz korrekt.

Leistung nach Vorschrift ist kein Kündigungsgrund

Hintergrund: Arbeitnehmer schulden im deutschen Arbeitsrecht grundsätzlich nicht die Erfüllung bestimmter Aufgaben, sondern grundsätzlich nur die Erbringung einer „durchschnittlichen Leistung“ während der Arbeitszeit.

Das bedeutet: Insbesondere Überstunden sind grundsätzlich nicht geschuldet - außer, wenn dies wirksam im Arbeitsvertrag vereinbart wurde. Die rechtlichen Grenzen sind hier aber eng und die meisten Klauseln in deutschen Arbeitsverträgen zu Überstunden sind unwirksam.

Wenn man das ernst nimmt, kann eben um 17 Uhr auch mal der Stift fallen gelassen werden - und was nicht fertig ist, wird am nächsten Tag fortgeführt. Dabei müssen insbesondere auch die Vorgaben des Arbeitszeitschutzgesetzes beachtet werden.

Pflichten aus dem Arbeitsvertrag - wann droht die Kündigung?

Um eine außerordentliche Kündigung zu vermeiden, müssen Arbeitnehmer aber die zum Teil fließenden Grenzen beachten und ihre Pflichten aus ihrem Arbeitsvertrag genau kennen: Wenn (teilweise) Überstunden wirksam vereinbart sind, schulden sie dies auch. Wenn es um die Einhaltung einer besonders wichtigen Frist gilt oder das einmalige Einspringen für eine kranke Kollegin, kann dies unter Umständen gefordert werden - wenn ein späterer Ausgleich erfolgt.

Immerhin: Bei einer solchen graduellen Veränderung ist der Arbeitgeber stets zur Abmahnung verpflichtet, bevor eine Kündigung erfolgen kann.

Anders liegt es bei der ordentlichen Kündigung: Diese ist grundsätzlich immer möglich. Es sollte also partout der Eindruck vermieden werden, dass man als Arbeitnehmer nicht hinreichend gebraucht wird. Dieser Aspekt dürfte für viele der riskanteste beim Quit Quitting sein. Aber gerade in größeren Betrieben ist die ordentliche Kündigung im Rahmen des Kündigungsschutzgesetzes an viele weitere Voraussetzungen geknüpft.

Generation Work-Life-Balance

Die Intention der Arbeitnehmer ist beim Quiet Quitting erstmal nicht, anders als der Begriff suggeriert, gegen die vertraglichen Pflichten zu verstoßen. Vielmehr liegt dem Verhalten die Einstellung zugrunde, sich für seinen Job nicht mehr „aufzureiben“, nicht mehr die Extra-Meile zu gehen oder sich herausragende Mühe zu geben.

Die Einstellung verbildlicht eindrücklich die Prioritäten und den gesellschaftlichen Wandel, der mit der Generation X begonnen hat: Eine Verlagerung des Schwerpunktes im Leben auf die eigene Individualität, auf die Freizeit und das Familienleben.

Nicht zuletzt verstärkt durch die Corona-Krise gewann auch das eigene Zuhause durch die Zunahme von Homeoffice-Regelungen an Bedeutung. Die 4-Tage-Woche gewinnt 2022 zunehmend an Popularität. Das Recht auf Teilzeit ist längst Gesetz.

Trend: Überstunden adieu - Homeoffice nimmt zu!

Das Quiet Quitting kommt als Alternative in eine Zeit, in der in Deutschland Überstunden immer noch für jeden achten Arbeitnehmer zum Alltag gehören. Das Statistische Bundesamt spricht 2021 von 4,5 Millionen Menschen in Deutschland, die regelmäßig Überstunden machen. Aber: Von den 15 - 24-Jährigen sind es nur 1,5%, die mehr als 48 Stunden wöchentlich arbeiten.

Denn gleichzeitig unterliegt unser Arbeitsmarkt derzeit einem signifikanten Wandel: Der Fachkräftemangel und die zunehmend alternde deutsche Gesellschaft bringen junge und gut qualifizierte Arbeitnehmer das erste Mal seit langer Zeit in die vorteilhafte Position, sich ihren Beruf und die dazugehörigen Konditionen aussuchen zu können.

Warum eigentlich „Quiet“ - statt „loud“?

Dementsprechend zeugt das „Quiet“ in Quiet Quitting von der noch zu langsamen Umstellung in den Köpfen vieler Arbeitgeber. Denn dass die Verweigerung von Mehrarbeit ohne entsprechende Entlohnung in der Zukunft die Regel wird, haben viele Chefs scheinbar noch nicht verstanden. Das Quiet Quitting schafft insofern Fakten, ohne ein vielleicht notwendiges Gespräch herbeizuführen.

Arbeitgebern dürfte indes nicht daran gelegen sein, dass ihre Mitarbeiter sich in einer Art „Trotz-Haltung“ auf die Arbeit nach Vorschrift zurückziehen - sondern ihre Arbeit gerne tun und sich von ihrem Arbeitgeber hinreichend wertgeschätzt und unterstützt fühlen. Das sollte die Zukunft sein. Das Phänomen „Quiet Quitting“ setzt daher die Arbeitgeber in Zugzwang.

Hoffentlich verstehen sie dies als Chance - um Pflichten im Arbeitsvertrag rechtsgültig und fair auszugestalten, Überstunden einzudämmen und Homeoffice als Gewinn zu betrachten. So können in Zeiten der Krise und des Fachkräftemangels neue Mitarbeiter gewonnen werden.