Quo vadis Erbschaftsteuer?

Vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Die Vergünstigungen für Unternehmenserben stehen auf dem Prüfstand - sowohl in der Politik als auch beim Bundesverfassungsgericht. Nun schaltet sich auch der Sachverständigenrat ein und gibt Empfehlungen.

Veröffentlicht am: 13.11.2025
Qualifikation: Fachanwältin für Steuerrecht
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Über die Verfassungsbeschwerde zur geltenden Erbschaftsteuer wird das Bundesverfassungsgericht womöglich in Kürze entscheiden. Die politischen Lager haben sich hinsichtlich der Zukunft der Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen schon einmal grob positioniert. Nun hat sich auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaflichen Entwicklung ("Wirtschaftsweise") in die Diskussion eingeschaltet und verlangt eine Reform der Erbschaftsteuer (Sachverständigenrat Wirtschaft, Jahresgutachten 2025/2026). 

Gleichmäßige Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen

Die Sachverständigen fordern eine gleichmäßigere Besteuerung aller Vermögensarten. Dafür müsse die steuerliche Begünstigung von Betriebsvermögen “deutlich verringert” werden. Bei der jetzigen Regelung im Erbschaftsteuergesetz führt die sogenannte Verschonungsbedarfsprüfung für Betriebsvermögen über 26 Millionen Euro häufig zu umfassenden Steuerbefreiungen bei der Übergabe von großen Unternehmen. Berechnungen auf der Zahlenbasis des Statistischen Bundesamtes haben ergeben, dass der effektive Durchschnittssteuersatz für Erbschaften und Schenkungen von mehr als 20 Millionen Euro nach Abzug nachträglicher Steuererlasse nur 7,3 Prozent beträgt und damit niedriger ist als bei Vermögensübertragungen zum Beispiel zwischen 50.000 und 500.000 Euro (9,4 Prozent). Hauptgrund dafür sind die steuerlichen Regelungen für Betriebsvermögen. 

Auch im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht geht es um die Erbschaftsteuer für Unternehmen. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass sich durch die anstehende Entscheidung in Karlsruhe der Reformdruck konkretisiert und der Rahmen für eine Neuregelung abgesteckt wird. 

Das Verfahren beim Bundesverfassungsgericht

Bundesverfassungsgericht, Aktenzeichen 1 BvL 5/21: “Verfassungsbeschwerde zu der Frage, ob die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Begünstigungen beim Übergang betrieblichen Vermögens gemäß §§ 13a, 13b, 13c, 19, 19a, 28a des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes 2016 (ErbStG 2016) und § 203 des Bewertungsgesetzes (BewG) mit dem Grundgesetz vereinbar sind oder ob sie Erwerberinnen und Erwerber, für die die genannten Normen keine Anwendung finden, in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise benachteiligen.”

Lebensfreibetrag statt 10-Jahresrhythmus?  

Die Wirtschaftsweisen greifen außerdem eine Idee auf, die bereits aus Kreisen der SPD und Grünen zu hören war. Sie schlagen einen "Lebensfreibetrag für alle im gesamten Leben kumuliert erhaltenen Vermögensübertragungen" vor. Derzeit stehen persönliche Freibeträge für Erbschaften und Schenkungen alle 10 Jahre zur Verfügung. Daher können zum Beispiel Kindern alle 10 Jahre Vermögenswerte von 400.000 Euro steuerfrei geschenkt werden. Durch rechtzeitige Gestaltung lassen sich so innerhalb der Kernfamilie oft mehrere Millionen übertragen. Obwohl ein möglicher Lebensfreibetrag höher als die jetzigen Freibeträge ausfallen dürfte, würde er - da er nur einmal zur Verfügung steht - bei Familien mit großen Vermögen wohl zu einer Mehrbelastung führen. 

Schritt zu mehr Vermögensgerechtigkeit?

Die gesellschaftliche Diskussion um die Erbschaftsteuer wird vor allem vor dem Hintergrund der in Deutschland vergleichsweise hohen Vermögensungleichheit geführt. Schließlich lässt sich ein erheblicher Anteil der Vermögen auf Erbschaften oder Schenkungen zurückführen. Dass ein paar Milliarden Euro mehr Erbschaftsteuer aufgrund der Streichung der Verschonungsbedarfsprüfung und Einführung eines Lebensfreibetrages im Erbschaftsteuerrecht zu einer messbaren Umverteilung von Vermögen führen wird, darf man aber bezweifeln. Diesbezüglich zielführender dürfte da schon die Empfehlung des Sachverständigenrates zur Stärkung des Vermögensaufbaus sein. Dieser Ansatz findet leider in der Öffentlichkeit weniger Beachtung als eine Reform der Erbschaftsteuer.