Verkauf einer Nachlassimmobilie durch Testamentsvollstrecker

Vollstrecker muss sich das Wissen Dritter zurechnen lassen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 19. März 2021 (V ZR 158/19) erneut klargestellt, dass die Denkmaleigenschaft eines verkauften Gebäudes grundsätzlich einen Sachmangel darstellen kann.

Veröffentlicht am: 06.05.2021
Von: Kolja Schlecht
Qualifikation: Fachanwalt für Erbrecht in Hamburg
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Insbesondere kommt der BGH zu dem Ergebnis, dass sich der Testamentsvollstrecker das ausschließlich bei einem Erben oder einer Hausverwaltung vorhandene Wissen über wesentliche Eigenschaften einer Immobile nicht zurechnen lassen muss.

Im Jahr 2009 verkaufte der Beklagte in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker über den Nachlass seines Vaters dem Kläger ein Wohnhaus in einer der begehrtesten Lagen in Hamburg für 5 Millionen Euro. Der Beklagte ist neben seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker zudem Miterbe neben seiner Schwester und seinem Bruder.

Der Kaufvertrag wurde im Jahr 2011 vollzogen und enthielt u.a. den Hinweis, dass das Objekt nicht in der Denkmalliste verzeichnet war, jedoch aus Sicht des Denkmalpflegers erhaltenswerte Bauelemente enthielt. Zudem wurde ein Haftungsausschluss für Sachmängel vereinbart.
Der Kläger beabsichtigte, das Gebäude umfangreich zu sanieren und umzubauen und erhielt im Februar 2012 zunächst eine Baugenehmigung. Jedoch wurde das Haus Anfang 2013 in die Denkmalliste eingetragen und das Denkmalschutzamt erließ einen Baustopp.

Denkmalschutz als Mangel

Der Kläger verlangte von dem Beklagten u.a. ca. EUR 2.800.000 als Ersatz des Minderwerts und vergeblicher Aufwendungen, da ihm ein wesentlicher Mangel arglistig verschwiegen worden sei.
Das Landgericht wies die Klage ab, das Hanseatische Oberlandesgericht erklärte die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt. Auf die Revision des Beklagten stellte der BGH das erstinstanzliche Urteil wieder her und wies die Klage somit rechtskräftig ab.

Grundsätzlich teilte der BGH die Ansicht des OLG, dass die Denkmaleigenschaft eines verkauften Gebäudes grundsätzlich als öffentlich-rechtlichen Baubeschränkung angesehen und mithin einen offenbarungspflichtigen Sachmangel § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB darstellen kann.

Hamburger Verzeichnis erkannter Denkmäler

Die Besonderheit dieses Falles lag u.a. darin, dass die Immobilie im Nachlass unstreitig erst nach dem Vollzug des Kaufvertrages in die Denkmalliste aufgenommen worden war, sich jedoch aufgrund einer hamburgischen Besonderheit bereits 2006 in einem Verzeichnis sog. „erkannter Denkmäler“ befand (§ 7a Abs. 2 Satz 2 Hamburger Denkmalschutzgesetz aF). Ohne weiteren Vollzugsakt bzw. Einzelprüfung wurden in Hamburg im Jahr 2013 sämtliche in diesem Verzeichnis als „erkannte Denkmäler“ in die Denkmalliste überführt.

Ob bereits die Aufnahme in die in dieses Verzeichnis erkannter Denkmäler ebenso einen Mangel der Kaufsache darstellen kann, ließ das Gericht offen.

Wissenszurechnung für den Testamentsvollstrecker?

Im Wesentlichen wurde darüber gestritten, ob das seinerzeitige Informationsschreiben des Denkmalschutzamts über die Aufnahme in dem Verzeichnis erkannter Denkmäler, das einem der Miterben der Erbengemeinschaft im Mai 2006 zugestellt und im Juli 2006 an die Grundstücksverwaltung gesandt worden war, zu einer Zurechnung des Wissens der Miterbin und der Hausverwaltung für den Beklagten in seiner Funktion als Testamentsvollstrecker führen konnte.

Weil der Beklagte das Grundstück in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker veräußert hatte und nicht in einer Verkäufergemeinschaft, war er damit selbst einziger Vertragspartner des Klägers.  Somit kam es auf seine Person an, soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch Kenntnis oder das Kennenmüssen dieser Umstände beeinflusst wurden.

Keine Arglist des Testamentsvollstreckers bei Kenntnis nur einzelner Miterben

Eine Arglist des Beklagten hätte nur dann unterstellt werden können, wenn er selbst Kenntnis von der Eintragung des Hauses in das Verzeichnis der erkannten Denkmäler gehabt hätte oder wenn ihm als Testamentsvollstrecker die Kenntnis eines Wissensträgers analog § 166 BGB zuzurechnen wäre. Keine dieser Alternativen konnte der BGH erkennen. Für eine Zurechnung hätte der Beklagte sog. "Wissensvertreter" sein müssen.

Wissensvertreter ist jeder, der nach der Arbeitsorganisation des Geschäftsherrn dazu berufen ist, im Rechtsverkehr als dessen Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei angefallenen Informationen zur Kenntnis zu nehmen und ggf. weiterzuleiten hat.

Eine Wissenszurechnung schied aus, weil nach dem Sachverhalt nicht davon auszugehen war, dass der Beklagte den Miterben damit betraut hätte, bestimmte Aufgaben in Bezug auf das Grundstück zu erledigen.

Testamentsvollstrecker ist keine am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation

Der BGH hob zudem hervor, dass auch kein Vergleich mit einer am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation, die im Rahmen des ihr Zumutbaren sich zu stellen hat, dass ihr zugehende rechtserhebliche Informationen unverzüglich an die entscheidenden Personen weitergeleitet werden müssen, angenommen werden kann.
Erben sind kraft Erbenstellung weder in eine „Organisation“ des Testamentsvollstreckers eingegliedert noch dessen Mitarbeiter. Die Testamentsvollstreckung beschränkt vielmehr die Erbenstellung an sich und der Testamentsvollstrecker hat die letztwillige Verfügung und den letzten Willen des Erblassers zur Ausführung zu bringen.

Auch eine Wissenszurechnung im Verhältnis eines Grundstücksverkäufers zu einer von ihm mit der Verwaltung des Grundstücks beauftragten, rechtlich und organisatorisch selbständigen Hausverwaltung nach den Grundsätzen der Organisation eines innerbetrieblichen Informationsaustausches lehnte der BGH aus den gleichen Gründen ab.

Testamentsvollstrecker kann auch gegen den Willen der Erben handeln

Mit dieser Entscheidung unterstrich der BGH die Bedeutung des Amtes des Testamentsvollstreckers, der den in der letztwilligen Verfügung zum Ausdruck gebrachten letzten Willen des Erblassers zu beachten und umzusetzen hat und dabei nach seinem Ermessen selbständig und unter Umständen auch gegen den Willen der Erben zu entscheiden hat.

Ausgehend vom Datum des Kaufvertrages bis zur nunmehr vorliegenden Entscheidung des BGH sind ca. 12 Jahre vergangen, in denen die Vorinstanzen unterschiedlich geurteilt hatten und nunmehr erst Rechtsklarheit besteht. Da dieser Zeitraum nicht nur erheblich ist, sondern solche Verfahren auch mit großen Kostenrisiken verbunden sind, sollten sich Personen, die im Rahmen ihrer Nachlassplanung eine Testamentsvollstreckung anordnen wollen, rechtlich beraten lassen und auch bei der Wahl des Testamentsvollstreckers sorgfältig vorgehen.