Vorsicht bei Ausschlagung der Erbschaft!

Im Einzelfall doppelte Wirkung der Ausschlagung

Veröffentlicht am: 30.03.2020
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Ein Beitrag von Rechtsanwalt Kolja Schlecht, LL.M., Fachanwalt für Erbrecht

Das Erbrecht ist komplex – und viele Erklärungen und Handlungen können in Anbetracht einer möglicherweise komplizierten Erbfolge ungeahnte und vollkommen ungewünschte Konsequenzen mit sich ziehen.

So entschied das Oberlandesgericht München (OLG München Beschluss vom 11.03.20, Az. 31 Wx 74/20 unter Aufhebung des Beschlusses vom AG Freyung vom 30.01.2020 – Az. 550 VI 153/17) kürzlich: Die Ausschlagung eines sogenannten Zweitnachlasses kann unmittelbar zum Verlust der Erbenstellung hinsichtlich des Erstnachlasses führen. Aber beginnen wir von vorn.

Komplexe Erbfolge beim Großneffen

In dem kürzlich vom entschiedenen Fall hatte der Beschwerdeführer als Erbe seines vorverstorbenen Vaters die Erbschaft nach seiner Großmutter form- und fristgerecht ausgeschlagen und vertrat die Auffassung, dass er gleichwohl noch gesetzlicher Erbe des Bruders seiner Großmutter (seines „Großonkels“) geworden sei. Der Erblasser hatte kein Testament hinterlassen.

Der Großneffe beantragte nun neben der Ehefrau einen Erbschein als gesetzlich berufener Miterbe nach seinem Großonkel. Das Amtsgericht hatte dem Antrag stattgegeben; das Oberlandesgericht hob diese Entscheidung jedoch auf, da es die Ehefrau als Alleinerbin ansah.

Nur eine Ausschlagung, aber zweifacher Effekt

Die Besonderheit dieses Falles war, dass der Großneffe, als eigentlich vorrangiger Erbe, die Erbschaft nach seinem Großonkel nicht ausgeschlagen hatte. Seine nach § 1944 BGB fristgemäß erklärte Ausschlagung der Erbschaft bezog sich ausschließlich auf den Nachlass seiner Großmutter.

Da der Erblasser keine letztwillige Verfügung – also weder ein Einzeltestament, ein gemeinschaftliches Testament oder einen Ehevertrag hinterlassen hatte – war die Großmutter des Antragstellers, die Schwester des Erblassers, nach dem Tod ihres Bruders dessen gesetzliche (Mit-)Erbin. Diese verstarb jedoch selbst innerhalb der kurzen Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB nach ihrem Bruder.

Da ihr eigener Sohn, der Vater des Antragstellers, bereits Jahre zuvor verstorben war, war ihr Enkel der gesetzliche Erbe, der diese – und nur diese – Erbschaft form- und fristgerecht ausschlug.

Ausschlagungsrecht ist vererblich

Grundsätzlich ist das Recht zur Ausschlagung einer Erbschaft nach § 1952 Abs. 1 BGB vererblich. Aber nach Ansicht des Oberlandesgericht München führte die Ausschlagung des Erbes der Großmutter auch zum Wegfall seiner Erbenstellung in Bezug auf den Erblasser, denn der Enkel kann den Erstnachlass nach seinem Großonkel als „Erbeserbe“ nur zusammen und nur als Bestandteil des Zweitnachlasses nach seiner Großmutter erhalten.

Annahme- und Ausschlagungsrecht geht verloren

Mit der Ausschlagung des Zweitnachlasses ging auch das Annahme- und Ausschlagungsrecht hinsichtlich des Erstnachlasses verloren, welches sodann auf den Nächstberufenen überging. Allein die Ausschlagung der Erbschaft in Bezug auf seine Großmutter bewirkte somit den Verlust beider Erbschaften.

Da sonst weder Verwandte der ersten oder zweiten Ordnung noch Großeltern vorhanden waren bzw. die Erbschaft ausgeschlagene hatten, ist die Ehefrau des Erblassers gemäß § 1931 Abs. 3 BGB dessen Alleinerbin aufgrund gesetzlicher Erbfolge geworden.

Der Fall macht erneut deutlich, wie wichtig die frühzeitige Abfassung einer durchdachten eigenen letztwilligen Verfügung für die Vermeidung von derartigen Streitigkeiten, die regelmäßig bei dem Eingreifen der gesetzlichen Erbfolge entstehen, ist.