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Wer hat das Testament geändert?

Aufbewahrung des handschriftlichen letzten Willens

In Privatwohnungen aufbewahrte Testamente werfen beim Auffinden nach dem Erbfall häufig Fragen auf, die schnell zu einem Erbstreit führen können.

Veröffentlicht am: 30.11.2023
Qualifikation: Fachanwältin für Familienrecht
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Längst nicht jedes eigenhändig erstellte Testament landet in der amtlichen Verwahrung. Viele werden zuhause aufbewahrt. Das schafft im Erbfall Raum für Spekulationen, vor allem, wenn Änderungen am letzten Willen vorgenommen wurden. Das Oberlandesgericht München musste neulich einen Fall zu diesem Thema entscheiden (OLG München, Beschluss vom 13. Oktober 2023, 33 Wx 73/23 e).

Umfassende Durchstreichungen im Testament

Gestritten wurde um ein handschriftliches Testament aus dem Jahr 2020. Ein geschiedene und kinderlose Dame hatte ihren Lebensgefährten als Erbe eingesetzt und ihr (gesetzlich erbenden) beiden Brüder ausdrücklich enterbt. Auf den drei Seiten der letztwilligen Verfügung gab es jeweils mehrere Durchstreichungen, die den gesamten Text umfassen. Außerdem gab es noch ein undatiertes und nicht unterschriebenes Testament, das mit einem PC erstellt und ausgedruckt war. Es hatte im Wesentlichen den Inhalt des eigenhändigen Testaments.

Lebensgefährte beantragt Erbschein

Der im Testament als Alleinerbe eingesetzte Lebensgefährte der Erblasserin beantragte einen Erbschein beim Nachlassgericht, in dem er als Alleinerbe auftauchen sollte. Das Nachlassgericht wollte diesen Erbschein auch entsprechend ausstellen und begründete diese mit einer Entscheidung des OLG Düsseldorf, wonach

"bei - unterstellter Urheberschaft des Erblassers in Bezug auf die Streichung grundsätzlich eine Vermutung für einen entsprechenden Aufhebungswillen spricht, diese widerlegt (sei), wenn sich ... der Wille des Erblassers ergibt, dass der durch die Streichung nahegelegte Widerruf der Verfügung bloß eine neue letztwillige Verfügung mit der Bestimmung eines neuen Erben vorbereiten, bis zu deren Errichtung indes die alte fortgelten sollte."

Da die Verstorbene noch kurz vor ihrem Tod Dritten gegenüber geäußert habe, ihre Brüder, sollten nichts bekommen, ging das Nachlassgericht davon aus, dass das handschriftliche Testament trotz der Durchstreichungen wirksam ist.

Wer muss was beim Testament beweisen?

Das sahen die vermeintlich enterbten Brüder anders und zogen vor das OLG München - mit Erfolg. Das Gericht sah die Brüder als rechtmäßige Erben und ging dabei auf die Frage ein, wer im Erbscheinverfahren was beweisen muss. Die Feststellungslast für die Wirksamkeit des Testaments trage derjenige, der Rechte aus dem Testament herleiten wolle - also hier der als Alleinerbe eingesetzte Lebensgefährte. Da die Testamentsurkunde bis zuletzt bei der Erblasserin gewesen sei, seien die Anforderungen an den Beweis, dass die Veränderung der Urkunde auf eine Handlung des Erblassers zurückzuführen sei, nicht hoch anzusetzen. Davon ausgehend war das OLG davon überzeugt, dass die Erblasserin ihr Testament durch das Durchstreichen widerrufen hatte.

Natürlich drängt sich der Verdacht auf, die Geschwister hätten womöglich das Testament gesehen, ihre Enterbung erkannt und durchgestrichen. Allerdings stand fest, dass die Brüder keinen Zutritt zur Wohnung hatten, da seit vielen Jahren kein Kontakt mehr bestand. Und außerdem hätten sie das handschriftliche Testament dann doch wohl verschwinden lassen, statt den Text durchzustreichen.

Überraschungen beim Widerruf des letzten Willens vermeiden

Da es auch keinen ersichtlichen Grund dafür gibt, warum der als Alleinerbe eingesetzte Lebensgefährte, das ihn begünstigende Testament hätte manipulieren wollen, durfte das OLG München zu Recht davon ausgehen, dass die Verstorbene ihren letzten Willen widerrufen wollte, indem sie die Formulierungen durchstrich. Ob sie ihren Lebensgefährten tatsächlich nicht mehr als Erben haben wollte oder ob sie vorhatte, ein ähnliches Testament erneut zu errichten, lässt sich nicht klären. Der Fall zeigt aber eindrucksvoll, welche Unwägbarkeiten und Unklarheiten rund um das selbst geschriebene Testament und ihrem Widerruf entstehen können. Grundsätzlich ist daher anzuraten, eigenhändige letztwillige Verfügungen in die amtliche Verwahrung zu geben. Dann erfolgt der Testaments-Widerruf regelmäßig dadurch, dass man die Urkunde aus der Verwahrung zurücknimmt. Ein Testament zuhause selbst zu schreiben, es durchzustreichen und dann weiter in einem Stapel Zeitungen aufzubewahren, ist jedenfalls nur dann eine gute Idee, wenn man die Hinterbliebenen ärgern und Fachanwälten für Erbrecht Arbeit verschaffen will.