Achtung: Neue Geldwäschepflichten für Onlinehändler
Wenn „Kauf auf Rechnung“ plötzlich zum AML-Risiko wird
Der nationale und EU-Gesetzgeber entwickelt seit Jahren erhebliche Aktivitäten, um die Geldwäsche einzudämmen. Die geschaffenen Regeln sind leider nicht sehr übersichtlich und auch für Profis nicht immer transparent. Für Onlinehändler ergeben sich aus den geplanten Gesetzesänderungen neue Verpflichtungen, wenn sie Kunden Ratenzahlung oder Stundung anbieten.
Die Reform des europäischen Geldwäscherechts nimmt Fahrt auf. Mit dem sogenannten AML-Paket – bestehend insbesondere aus der neuen EU-Geldwäscheverordnung (AML-VO) und der Einrichtung der zentralen Anti-Geldwäsche-Behörde AMLA – verlagert sich der Schwerpunkt der Geldwäscheprävention deutlich von der nationalen auf die EU-Ebene. Ziel ist eine stärkere Harmonisierung und effektivere Aufsicht, indem die bislang stark fragmentierten nationalen Regelungen vereinheitlicht und wichtige Kompetenzen bei einer europäischen Behörde gebündelt werden.
Was zunächst vor allem nach Banken- und Finanzsektor klingt, trifft in vielen Fällen jedoch auch andere Branchen, wie den Onlinehandel, der bislang nur in Ausnahmefällen von Pflichten betroffen war. Hier erweitert der Gesetzgeber in Zukunft den Begriff des Kreditgebers und erfasst künftig auch Händler, die ihren Kundinnen und Kunden Raten oder Zahlungsaufschub gewähren. Mit solchen klassischen Instrumenten des E‑Commerce geraten Online-Händler in Zukunft ins Fadenkreuz des Geldwäscherechts, mit entsprechenden Folgen wie massiv steigenden Compliance-Kosten.
Was bedeutet das konkret? – GwG-Pflichten im Onlinehandel
Nach der bisherigen Systematik waren Händler in Deutschland nur in sehr engen Konstellationen geldwäscherechtlich verpflichtet, typischerweise bei der Annahme oder Ausgabe hoher Bargeldbeträge. Davon war der Onlinehandel nicht betroffen.
Im Fokus des Geldwäschegesetzes (GwG) standen vor allem Kreditinstitute, Finanzdienstleister, Versicherungen und bestimmte Bargeld intensive Branchen, nicht aber der klassische (Online)Handel.
Die GwG-Pflichten umfassen dabei insbesondere:
- Identifizierung und Verifizierung des Kunden („Know-your-Customer“, KYC)
- laufende Risikoanalyse und Risikoklassifizierung
- fortlaufende Überwachung der Geschäftsbeziehung
- Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten
- Meldepflichten bei Verdachtsfällen
Im Onlinehandel spielten diese Pflichten typischerweise nur dann eine Rolle, wenn besondere Risikokonstellationen vorlagen – wie etwa sehr hohe Kaufpreise oder Bargeldnähe.
Die Hürde von 10.000 EUR, welche den Anwendungsbereich für Gelegenheitstransaktionen begrenzt, sorge in der Praxis bei typischen E-Commerce-Händlern dafür, dass diese ausgenommen blieben. Zahlungen erfolgen über etablierte Zahlungsdienstleister, die ihrerseits geldwäscherechtlich verpflichtet sind.
Mit dem beschlossenen AML-Paket verschiebt sich nun der Blickwinkel: Nicht mehr nur die Höhe der Transaktion, sondern die Funktion des Händlers als Kreditgeber rückt in den Vordergrund. Wo Händler bislang „nur“ Verkäufer waren, wird künftig ihre Rolle als wirtschaftlicher Kreditgeber relevant, sobald sie Kredite im Sinne der einschlägigen Richtlinien gewähren. Und damit unterliegen sie auf einmal dem vollen Pflichtenkanon der AML-VO, inklusive Registrierungspflichten und laufender AML-Compliance. Dies zieht einen entsprechenden Compliance-Aufwand und damit verbundene Kosten nach sich, die sich mit den dünnen Margen im Online-Handel regelmäßig nicht vertragen. Die Händler müssen durch Anpassung der Finanzierungsangebote für Kunden darauf reagieren und dies vermeiden.
Ratenkauf, Rechnungskauf & Co.: Neue Regeln durch das Zusammenspiel von AML-VO und CCD2
Das geldwäscherechtliche Problem für Onlinehändler liegt im Zusammenspiel der neuen Geldwäscheverordnung mit der überarbeiteten Verbraucherkreditrichtlinie (CCD2) begründet.
Händler als Kreditgeber nach AML-VO
Ab dem 10. Juli 2027 legt die AML-VO fest, wer als geldwäscherechtlich Verpflichteter gilt. Dazu zählen künftig auch Finanzinstitute im Sinne der Verordnung. In die Definition dieser Finanzinstitute fallen auch Kreditgeber, also jede natürliche oder juristische Person, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Kredite gewährt oder zu gewähren verspricht.
Für den E‑Commerce bedeutet das:
- Bietet ein Händler einen Ratenkauf an, gewährt er seinen Kunden einen Kredit.
- Gewährt er einen Zahlungsaufschub in Form eines Rechnungskaufs, kann auch dies als Kredit gelten, wenn bestimmte Fristen überschritten werden.
Solche Händler werden damit zu Verpflichteten im Sinne der AML-VO – mit allen daraus folgenden Pflichten, von der Kundenidentifizierung bis zur internen Compliance-Organisation.
Unklar bleibt, ob der Gesetzgeber das gesehen und gewollt hat, da das Geldwäscherisiko beim Ratenkauf ja nicht höher ist als bei einer Sofortzahlung per Kreditkarte.
CCD2: Ausweitung des Kreditbegriffs
Der Begriff des Verbraucherkredits wird in der neuen Verbraucherkreditrichtlinie CCD2 erheblich erweitert:
- Ein kostenloser Zahlungsaufschub (z.B. klassischer Rechnungskauf) gilt als Kredit, wenn die vom Händler eingeräumte Zahlungsfrist mehr als 50 Tage beträgt.
- Ein Onlinekauf auf Rechnung wird zudem unter bestimmten Umständen dann als Kredit eingestuft, wenn Zinsen oder sonstige Kosten anfallen oder die Zahlungsfrist 14 Tage übersteigt und es sich nicht um ein KMU handelt.
In der Praxis sind viele E‑Commerce-Modelle von genau diesen Konstellationen geprägt: Längere Zahlungsziele, Gebühren für Mahnungen oder die standardmäßige Abtretung der Forderung an spezialisierte Zahlungsdienstleister gehören zum Alltagsgeschäft.
Für Händler bedeutet das, dass der Raten- und der Rechnungskauf sie in Zukunft zu Kreditgebern im Sinne der AML-VO macht und sie vollen geldwäscherechtlichen Pflichten unterliegen. Über die Kundensorgfaltspflichten hinaus werden Händler damit künftig den gesamten Pflichtenkatalog der AML-VO zu beachten haben, einschließlich der Notwendigkeit, sich als Kreditgeber registrieren zu lassen – eine Anforderung, die durch die CCD2 zusätzlich akzentuiert wird.
Ausblick und kritische Betrachtung durch die Praxis
Die Ausweitung der geldwäscherechtlichen Pflichten auf Onlinehändler ist problematisch. Ohne erkennbare Notwendigkeit wird der Anwendungsbereich der AML-VO über den klassischen Finanzsektor hinaus in den E‑Commerce hinein ausgeweitet, und zwar ausgerechnet dort, wo typischerweise Massengeschäfte mit eher geringen Warenkörben und etablierten Zahlungsdienstleistern stattfinden. Und das, obwohl diese Geschäfte ökonomisch weit vom typischen Geldwäscheszenario entfernt sind.
Onlinehändler müssen sich jedenfalls darauf einstellen und sollten ihre Geschäftsmodelle darauf einstellen, sodass sie nach Möglichkeit gar nicht erst unter die neuen Regelungen fallen – etwa durch kurze Zahlungsziele (max. 14 Tage) und Verzicht auf Ratenkauf und Verlagerung auf lizenzierte Zahlungsdienstleister, auch wenn dies teuer ist.
Auch wenn die Geldwäschebekämpfung ein sehr wichtiges Thema ist, sollte der Gesetzgeber hier mit mehr Augenmaß vorgehen. Statt durch solch undurchdacht wirkende Initiativen in der Breite der Wirtschaft zusätzliche Verunsicherung und Bürokratiekosten zu erzeugen, sollte man sich stärker auf die wirklichen Kernthemen der Geldwäschebekämpfung konzentrieren: risikoreiche Strukturen, komplexe Finanzprodukte, anonyme Geldflüsse und tatsächliche Hochrisikobranchen. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber hier in zu Zukunft mehr Augenmaß und Sorgfalt walten lässt.
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