Kritik an Bad Leaver-Vertragspraxis

So lässt sich der Worst Case abwenden

Das einstweilige Verfügungsverfahren besitzt bei einem eskalierten Streit im Gesellschafterkreis eine enorme Bedeutung, insbesondere wenn es um den Gesellschafter-Squeeze Out und Bad Leaver-Wertabschläge geht.

Veröffentlicht am: 03.11.2025
Qualifikation: Rechtsanwalt, Corporate Litigation
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Bei einem Gesellschafter, der sich durch Gesellschafterbeschluss seiner Mitgesellschafter in der Geschäftsführung und im Gesellschafterkreis entledigt sieht, steht oftmals nicht weniger als seine unternehmerische Existenz auf dem Spiel. Dies gilt vor allem für Situationen, in denen der Gesellschafter mit dem Rücken zur Wand steht und für seinen Ausschluss eine Abfindung weit unter Verkehrswert erhalten soll. Bis ein langwieriger Gerichtsprozess im Wege eines Hauptsacheverfahrens abgeschlossen ist, könnten die übrigen Gesellschafter längst Fakten geschaffen und das Unternehmen in ihrem Sinne umgestaltet haben.

In solchen Situationen bietet der einstweilige Rechtsschutz die Chance, die eigenen Rechte vorläufig zu sichern. Genau das zeigt eine viel beachtete Entscheidung des Kammergerichts (KG) aus Mai 2025. Diese Entscheidung dürfte spürbaren Einfluss auf die Venture Capital-Vertragspraxis haben.

KG-Urteil zur Bad Leaver-Klausel

Im Streit vor dem Berliner Gericht (KG, Urteil vom 19.05.2025 – 2 U 15/25) ging es um einen Gründungsgesellschafter, der über eine Holdinggesellschaft mit 20 % an der Gesellschaft beteiligt war. Nach Konflikten wurde er als Geschäftsführer abberufen. Gleichzeitig machten die Mitgesellschafter eine im Shareholder Agreement vereinbarte Bad Leaver-Call Option geltend. Danach sollte der Gründer seine Anteile zum symbolischen Preis von EUR 1,00 abgeben, weil er als Geschäftsführer aus wichtigem Grund abberufen wurde. Man warf ihm vorsätzliches pflichtwidriges Verhalten und strafbares Handeln vor.

KG: Bad Leaver-Klausel ist unwirksam

Der angegriffene Gesellschafter wandte sich mit einem Antrag auf einstweilige Verfügung gegen seinen Ausschluss aus dem Gesellschafterkreis. Ziel war es, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens weiterhin als Gesellschafter behandelt zu werden, und zwar mit allen dazugehörigen Rechten.

Das Kammergericht gab dem angegriffenen Gesellschafter recht und stellte die Unwirksamkeit der Bad Leaver-Klausel fest. Die Bad Leaver-Regelung sei in der vorliegenden unbefristeten Form unwirksam. Denn ein Ausschluss aus der GmbH gegen den Willen des Gründungsgesellschafters greife in den Kernbereich seiner Mitgliedschaftsrechte ein und dürfe stets nur Ultima Ratio sein. Eine pauschale, zeitlich unbefristete Entziehung der Geschäftsanteile sei daher sittenwidrig.

Überdies sah das KG keine ausreichende Pflichtverletzung des betroffenen Gesellschafters. Selbst wenn man die Klausel für wirksam hielte, habe die Gesellschaft keine konkreten und glaubhaften Pflichtverletzungen vorgetragen, die ein vorsätzliches oder gar strafbares Handeln des angegriffenen Geschäftsführers belegten. Vorwürfe wie Spesenbetrug oder steuerliche Pflichtverletzungen erwiesen sich nicht als tragfähig.

Das Berliner Gericht gewährte zugunsten des Gesellschafters einen umfassenden Schutz durch einstweilige Verfügung. Der Gesellschafter behält bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens alle Mitgliedschaftsrechte. Das Gericht begründete dies damit, dass der betroffene Gesellschafter vor einer möglicherweise fehlerhaften Einziehung seiner Geschäftsanteile geschützt werden müsse.

Bedeutung für die VC-Vertragspraxis

Die Entscheidung zeigt, dass der einstweilige Rechtsschutz ein für einen angegriffenen Gesellschafter wichtiges und scharfes Schwert ist. Er verhindert, dass Mitgesellschafter durch zweifelhafte Überfallkommandos und vorschnelle Beschlüsse unumkehrbare Fakten schaffen.

Des Weiteren lässt sich der KG-Entscheidung und anderen aktuellen Gerichtsurteilen ablesen, dass Bad Leaver-Klauseln Grenzen haben und die Vertragsfreiheit in dem gesellschaftsrechtlichen Bereich eingeschränkt ist. Auch im Bereich von Start-ups und Venture-Capital-Strukturen gilt: Ein unbefristeter Verlust der Gesellschafterstellung durch Anteilseinziehungen und andere Zwangsmaßnahmen ist sittenwidrig, wenn nicht gravierende, klar belegte Pflichtverletzungen vorliegen.

Das KG stärkt mit dieser Entscheidung die Position von Gesellschaftern, insbesondere in Startups, erheblich. Wer durch Abberufungen und Ausschlussklauseln aus der GmbH gedrängt werden soll, kann sich effektiv im einstweiligen Rechtsschutz wehren. Für Investoren und Gründer bedeutet dies: Bei der Gestaltung von Vesting-Klauseln und Bad Leaver-Klauseln sind die Grenzen der Vertragsfreiheit zu beachten.

Weiterführende Informationen zum Einsatz von Good Leaver & Bad Leaver-Klauseln sowie die höchstgerichtlichen Grenzen finden Sie auf dieser Seite: Leaver Klauseln: Good leaver & bad leaver