Gesellschaft mit gebundenem Vermögen

Verantwortungseigentum als neue Rechtsform?

Die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen steht kurz vor der Einführung als neue Rechtsform in Deutschland und verspricht eine innovative Lösung für nachhaltige Unternehmensführung und Nachfolge im Mittelstand. Was hinter dem Konzept des gebundenen Vermögens bzw. Verantwortungseigentums steckt, wie es sich von gemeinnützigen Modellen unterscheidet und welche Chancen und Herausforderungen damit verbunden sind, erfahren Sie in diesem News-Beitrag.

Veröffentlicht am: 10.11.2025
Qualifikation: Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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Die Diskussion um die Einführung einer neuen Rechtsform für Unternehmen mit gebundenem Vermögen – auch unter der Bezeichnung als „Gesellschaft in Verantwortungseigentum“ diskutiert – nimmt nach einem Interview mit Justizministerin Hubig im Handelsblatt wieder an Fahrt auf. 

Nach jahrelanger Diskussion und mehreren Anläufen hat sich die kommende Bundesregierung im Koalitionsvertrag wiederum zur Einführung einer eigenständigen „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ (GmgV) bekannt. Das hatte auch schon die Ampel-Koalition getan, aber bis zum Ende der Legislaturperiode nicht umgesetzt. 

Jetzt ist erstmals nicht mehr nur eine Variante der GmbH im Gespräch, wie in der Vergangenheit, sondern eine völlig neue und eigenständige Rechtsform. Grundlage hierfür ist ein im September 2024 vorgelegter, umfassender Professorenentwurf, der die wichtigsten Anforderungen aus Praxis und Wissenschaft aufgreift.

Die neue Bundesregierung hat angekündigt, den bereits fertigen Gesetzentwurf zügig umzusetzen – ein Signal, das insbesondere vom Mittelstand mit seinen Nachfolgethemen begrüßt wird.

Was ist die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen?

Die GmgV ist als eigenständige Gesellschaftsform konzipiert, die sich grundlegend von klassischen Kapitalgesellschaften unterscheidet. Ihr zentrales Merkmal ist die unabänderliche Vermögensbindung: Das Unternehmensvermögen bleibt dauerhaft im Unternehmen und kann nicht an Gesellschafter oder Dritte ausgeschüttet werden. Gewinne sollen zwar erwirtschaftet werden, dienen aber in erster Linie dem Fortbestand und der Weiterentwicklung des Unternehmens.

Im Unterschied zu gemeinnützigen Organisationen verfolgt die GmgV keine gemeinnützigen Zwecke und ist nicht steuerbegünstigt. Sie bleibt ein Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht, das am Markt agiert. Die Gewinne kommen aber nicht den Anteilsinhabern zugute, sondern dienen Bestandserhaltung und Fortentwicklung des Unternehmens. 

Die Teilhabe erfolgt nach mitgliedschaftlicher Logik – ähnlich wie bei Vereinen oder Genossenschaften. Gesellschafter leisten eine Einlage – im Entwurf mindestens EUR 5.000 Euro – auf welche ihre Haftung beschränkt wird und die sie bei Austritt zurückerhalten. Die Anteile können jedoch nicht verkauft oder sonst übertragen werden. Eine klassische Shareholder-Logik, wie sie bei der GmbH oder AG vorherrscht, gibt es bei GmgV nicht. Dies sichert den Bestand des Unternehmens.

Zweck und Sinnhaftigkeit: Nachfolge, Stabilität und internationale Vorbilder

Die Einführung der GmgV adressiert ein zentrales Problem des deutschen Mittelstands: die Unternehmensnachfolge. Viele Unternehmerinnen und Unternehmer suchen nach Wegen, ihr Lebenswerk unabhängig von privaten oder kurzfristigen Interessen zu sichern. Die GmgV bietet eine rechtssichere und flexible Lösung, um Unternehmen langfristig im Sinne der Gründer weiterzuführen.

International gibt es bereits erfolgreiche Vorbilder für Unternehmen mit gebundenem Vermögen, etwa in Skandinavien. In Dänemark und Schweden sind solche Strukturen weit verbreitet und haben sich als stabilisierender Faktor für die Wirtschaft erwiesen. Auch große Unternehmen wie Carlsberg (in Dänemark) oder Bosch (in Deutschland als Stiftungsunternehmen) zeigen, dass Verantwortungseigentum nicht nur für kleine Betriebe, sondern auch für Konzerne attraktiv ist.

Aktuelle Situation: Behelfskonstruktionen und ihre Grenzen

Mangels passender Rechtsform greifen Unternehmen in Deutschland bislang auf Stiftungs- oder Treuhändermodelle zurück. Diese Konstruktionen sind jedoch mit erheblichen Nachteilen verbunden: Stiftungen sind sehr unflexibel, unterliegen einer strengen staatlichen Aufsicht und verursachen hohe Gründungskosten. Treuhändermodelle sind rechtlich unsicher und können zu Interessenkonflikten führen. Zudem fehlt es an einer einheitlichen gesetzlichen Grundlage, was die Nachfolgeplanung und Finanzierung erschwert. Solche Problemstellungen sind bei dem existenziellen Thema Unternehmensnachfolge nicht hinnehmbar und bedürfen einer gesetzgeberischen Initiative.

Der Professorenentwurf für die GmgV sieht nun eine eigenständige Gesellschaftsform vor, die diese Schwächen überwindet. Die unabänderliche Vermögensbindung wird rechtssicher ausgestaltet, Umgehungen – etwa durch Umwandlung in andere Rechtsformen – werden explizit ausgeschlossen. Von den Geschäftsführern ist ein jährlicher Vermögensbindungsbericht zu veröffentlichen und die GmgVs werden der Aufsicht durch zu gründende Aufsichtsverbände unterstellt, ähnlich den Prüfverbänden im Genossenschaftswesen.

Ausblick: Chancen und Herausforderungen der neuen Rechtsform

Mit der GmgV steht Deutschland vor einem Paradigmenwechsel im Gesellschaftsrecht. Die neue Rechtsform könnte nicht nur die Nachfolge im Mittelstand erleichtern, sondern auch neue Impulse für nachhaltiges und werteorientiertes Wirtschaften setzen und somit von volkswirtschaftlichem Nutzen sein. 

Herausforderungen bleiben: Die genaue Ausgestaltung der Vermögensbindung, die Kontrolle der Einhaltung und die steuerliche Gleichstellung mit anderen Rechtsformen müssen sorgfältig geregelt werden. Der Koalitionsvertrag betont ausdrücklich, dass es weder steuerliche Privilegierungen noch Diskriminierungen geben soll – ein wichtiger Schritt für einen fairen Wettbewerb. Dass die GmgV mit einer weiteren Berichtspflicht und der Kontrolle durch noch zu schaffende Aufsichtsverbände unterstellt werden soll, verträgt sich allerdings nicht so gut mit dem erklärten Ziel der neuen Bundesregierung, die Bürokratie in Deutschland abzubauen.

Die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen ist eine sehr wichtige gesetzgeberische Initiative, um gerade dem Mittelstand eine Alternative bei der Unternehmensnachfolge zu bieten und allgemein den Unternehmen die Möglichkeit zu geben, in einem unternehmenszentrierten, statt auf den Shareholder Value bezogenen, Kontext zu wirtschaften. Die kommenden Monate werden zeigen, wie schnell und konsequent die Politik dieses zukunftsweisende Projekt umsetzt.