Nadja Thiele kämpft weiter um ihr Erbe

Die Ehefrau und ihr Erbrecht

Als Ehefrau hat Nadja Thiele eine beachtliche gesetzliche Erbquote. Was davon am Ende bei ihr ankommt, ist noch ungewiss.

Veröffentlicht am: 13.04.2023
Qualifikation: Rechtsanwalt & Mediator
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Die Witwe Nadja Thiele ist eine zentrale Figur im facettenreichen Streit um den Nachlass ihres verstorbenen Ehemanns Heinz Herrmann Thiele. Es geht um 15 Milliarden Euro, einen Testamentsvollstrecker und sein Honorar, eine Familienstiftung und ihre Organe und einen Pflichtteilsverzicht, der inzwischen bereut wird. Die Medien und auch wir berichteten bereits über die rechtlichen Hintergründe des Erbstreits.

Gesetzliche Erbin neben zwei Stiefkindern

Heute gucken wir mal auf die erbrechtliche Ausgangssituation von Nadja Thiele. Als Ehefrau hat sie ein gesetzliches Erbrecht. Dieses teilt sie sich aber mit den beiden Kindern ihres Mannes aus erster Ehe, Sohn Henrik Thiele und Tochter Julia Thiele-Schürhoff. Nadja Thiele hatte ebenfalls ein Kind mit in die Ehe gebracht. Dieses Stiefkind Heinz Herrmanns hat jedoch kein eigenes Erbrecht. Auch weitere Verwandte des Industriellen scheiden als gesetzliche Erben aus, da neben Kindern als Erben 1. Ordnung nicht bei der Erbfolge zum Zuge kommen.   

Halbe-Halbe mit den Kindern in der Zugewinngemeinschaft

Und wie verteilt sich nach dem Gesetz nun das Erbe auf die Witwe und die zwei Kinder? Das hängt davon ab, in welchem Güterstand des Ehepaar Thiele bei Eintritt des Erbfalls lebte. Normalerweise ist das die Zugewinngemeinschaft. Die gilt, wenn nicht per Ehevertrag ausdrücklich ein anderer Güterstand vereinbart wurde. Bei der Zugewinngemeinschaft erbt der Ehegatte die Hälfte, nämlich ein erbrechtliches Viertel und zusätzlich noch ein güterrechtliches Viertel. Die andere Hälfte der Erbschaft teilen sich die beiden Kinder, die gesetzlich stets zu gleichen Teilen erben, hier also je ein Viertel.

Die Auswirkungen des Verzichts eines Kindes

Medienberichten war zu entnehmen, dass Sohn Henrik Thiele für ein paar Millionen auf seinen Pflichtteil verzichtet hatte – eine Entscheidung, die er inzwischen bereut hat und gerichtlich versucht rückgängig zu machen. Welchen Einfluss hat dieser Pflichtteilsverzicht nun auf die Erbquote der Witwe Nadja Thiele? Keine, wenn es sich tatsächlich nur um einen Pflichtteilsverzicht und nicht um einen Erbverzicht gehandelt hat. Ein solcher Erbverzicht würde tatsächlich bei der Ermittlung der Erbquoten dazu führen, dass sich durch den Ausfall eines Erben die Erbquoten der anderen Erben erhöhen. Beim Pflichtteilsverzicht bleibt für die anderen erbenden Angehörigen dagegen alles beim Alten.

Vorerbschaft oder Pflichtteil?

Nun ist ja bekannt, dass der Patriarch Thiele durch ein Testament in die gesetzliche Erbfolge eingegriffen hat. Haupterbin ist offenbar die Familienstiftung, dessen Errichtung im Testament angeordnet wurde und die inzwischen gegründet wurde. In der SZ konnte man nun nachlesen, dass Nadja Thiele „etwa eine Milliarde Euro vor allem in Form von Immobilien“ als „Vorerbin“ bekommen soll. Eine solche Vorerbschaft (vielleicht war es auch ein Vorvermächtnis) hat den Nachteil, dass man das geerbte Vermögen nicht uneingeschränkt als Eigentümer bekommt, über dieses nicht frei verfügen kann und es nach dem Tod des Vorerben an den Nacherben fällt – in diesem Fall wohl die Familienstiftung Thieles. Das muss der Vorerbe jedoch nicht immer hinnehmen. Da Nadja Thiele als Ehegattin nicht nur gesetzliche Erbin, sondern auch Pflichtteilsberechtigte ist, kann sie die Vorerbschaft ausschlagen und stattdessen den Pflichtteil fordern. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte der gesetzlichen Erbquote, bei Nadja Thiele also womöglich 25 Prozent von 15 Milliarden Euro – immerhin 3,75 Milliarden Euro. Es drängt sich daher die Frage auf, warum die Witwe nicht sowieso Pflichtteilsansprüche geltend macht – unabhängig davon, dass sie nur Vorerbin sein soll.

Dazu fällt einem spontan die mögliche Erklärung ein, dass Nadja Thiele womöglich auch irgendwann einen Pflichtteilsverzicht erklärt hat. Vielleicht fand so ein Verzicht bei der Heirat in Verbindung mit einem Ehevertrag statt. Heinz Hermann war damals schließlich bereits Milliardär und ein Geschäftsmann mit juristischer Ausbildung.

Was hat Nadja Thiele von der Familienstiftung?

Die Familienstiftung Thieles soll dessen Vermögen langfristig zusammenhalten und vermutlich dafür sorgen, dass Thieles Lebenswerk nicht versilbert und zerschlagen wird. Die Gewinne aus dem Stiftungsvermögen, das vor allem aus Thieles Unternehmensbeteiligungen besteht, fließen an die begünstigten Familienmitgliedern. Man sollte eigentlich davon ausgehen, dass Nadja Thiele auch zu diesen Destinatären zählt – ihr Kind aber eher nicht. Und bisher hat die Witwe es weder in den Stiftungsvorstand noch in den Beirat geschafft, auch wenn das letzte Wort hier noch nicht gesprochen ist.

Warten wir ab, welche Details im weiteren Verlauf des Erbstreits noch ans Licht kommen. Bis dahin bleiben wir spekulativ…

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