Klage gegen den Pflichtteilsverzicht

Henrik Thiele kämpft um seinen Anteil am Milliarden-Erbe

Wer auf sein Erbe bzw. auf den Pflichtteil verzichtet, bereut dies womöglich. Bei der Milliardenerbschaft von Heinz Herrmann Thiele landete so ein Konflikt vor Gericht.

Veröffentlicht am: 13.02.2023
Qualifikation: Rechtsanwalt
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Wenn einer der reichsten Unternehmer Deutschlands verstirbt, muss man grundsätzlich mit Konflikten rund um die Erbschaft rechnen. So auch im Fall von Heinz Herrmann Thiele. Hier sorgt ein Testament, eine Testamentsvollstreckung und ein Pflichtteilsverzicht für Streitpotenzial unter den Nachkommen.

Pflichtteilsklage zunächst erfolglos

Zuletzt sorgte die Klage von Henrik Thiele, der Sohn des Erblassers, vor dem Landgericht München für Aufmerksamkeit. Medienberichten zufolge geht es um den Pflichtteil. Henrik Thiele hatte wohl einst auf den Pflichtteil gegenüber seinem Vater verzichtet, diesen aber dennoch eingeklagt, da er den Verzicht als unwirksam ansieht. Vor dem Landgericht München hatte die Klage aber anscheinend keinen Erfolg.

Was ist geschehen?

Das Handelsblatt berichtet von einem „Erbverzicht“ den Henrik Thiele 2017 erklärt habe. Möglicherweise handelte es sich dabei aber auch um einen „Pflichtteilsverzicht“, der in der Praxis deutlich häufiger vorkommt als der Erbverzicht. Derartige Verzichte sind gerade bei der Unternehmensnachfolge beliebte Gestaltungsinstrumente, da sie dem Erblasser „freie Hand“ bei der Vererbung des Unternehmens geben. Nahe Angehörige, die dann zu kurz kommen, können keine Pflichtteilsansprüche mehr geltend machen.

Die Bereitschaft zum Verzicht muss sich der Unternehmer regelmäßig durch eine Abfindung erkaufen. Im Falle von Henrik Thiele nennt das Handelsblatt einen Betrag von 25 Millionen Euro. Das dürfte sicherlich für ein sorgenfreies Leben reichen. In Anbetracht des auf 17 Milliarden geschätzten Nachlasses seines Vaters und einer vermutlichen Pflichtteilsquote von 1/8 handelt es sich aber um eine sehr überschaubare Summe.

Wenn der Verzicht bereut wird

Da verwundert es kaum, dass der Sohn nun doch versucht, ein größeres Stück vom Nachlassvermögen abzubekommen, und nach der verlorenen Klage vor dem Landgericht München womöglich in die Berufung geht.

In den Medien ist zu lesen, dass Henrik Thiele sich vom Vater unter Druck gesetzt gefühlt habe und dieser ihn „vernichten“ wollte. Grundsätzlich kann man einen Pflichtteilsverzicht – wie jede andere Willenserklärung – anfechten, wenn man sich geirrt hat, getäuscht oder bedroht wurde. Ob das vorliegend der Fall war, müsste bewiesen werden. Allerdings gibt es Rechtsprechung, nach der eine solche Anfechtung eines Pflichtteilsverzichts nur möglich ist, solange der Erblasser noch lebt – und man die Anfechtung auch ihm gegenüber erklären kann.

Sittenwidriger Verzicht?

Denkbar ist noch, dass ein Gericht den Pflichtteilsverzicht für sittenwidrig und damit unwirksam hält. Und tatsächlich könnte das krasse Missverhältnis zwischen dem tatsächlichen Wert des Pflichtteils und der gezahlten Abfindung ein Indiz für eine Sittenwidrigkeit sein. Dennoch müssten dann wohl auch noch weitere Umstände dazu kommen, wie zum Beispiel die Unerfahrenheit des Verzichtenden oder eine Zwangslage.

Bei diesen Fragen kommt es stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Unter anderem wird auch genau darauf geachtet, wie die Kommunikation im Vorfeld und während der notariellen Beurkundung des Verzichts war.