DrittelbG – Mitbestimmung im Konzern

Zurechnung von Arbeitnehmern für Aufsichtsrat!?

Seit langem besteht Streit darüber, unter welchen Umständen Arbeitnehmer in faktischen Konzernstrukturen hinzugerechnet werden und der Anwendungsbereich des Drittelbeteiligungsgesetzes damit eröffnet ist. Das Kammergericht Berlin hat sich nun eine Meinung zum Konzernaufsichtsrat gebildet.

Veröffentlicht am: 25.09.2025
Qualifikation: Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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Eine Aktiengesellschaft muss von Gesetzes wegen zwingend einen Aufsichtsrat haben. Bei einer GmbH kommt es darauf an, ob die Gesellschafter freiwillig einen Aufsichtsrat (oder Beirat) installiert haben oder ob die GmbH bestimmte Schwellenwerte bei der Zahl der Arbeitnehmer überschreitet. So sieht das Drittelbeteiligungsgesetz vor, dass ein Aufsichtsrat mit einer Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer zu bilden ist, wenn die GmbH mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigt. Doch was ist, wenn eine „kleine“ GmbH mit wenigen Arbeitnehmern an der Spitze eines Konzerns steht? Werden die Arbeitnehmer der Konzernunternehmen der GmbH zugerechnet?

Eine aktuelle Entscheidung des Kammergerichts Berlin (Beschluss vom 17.6.2025, Az. 14 W 2/25) zeigt, dass die Hürden für eine Zurechnung von Arbeitnehmern im Konzern (zu Recht?) hoch bleiben.

Aufsichtsrat nach dem Drittelbeteiligungsgesetz

Beschäftigt eine GmbH regelmäßig mehr als 500 Arbeitnehmer, muss ein Aufsichtsrat (Beirat) gebildet werden und dieser muss zu einem Drittel mit Arbeitnehmervertretern besetzt werden. Die Schwelle von 500 Arbeitnehmer ist – je nach Blickwinkel – Fluch oder Segen für die betreffende GmbH.

Es verwundert daher nicht, dass die Berechnung der Zahl der Arbeitnehmer oft streitbefangen ist. Dies gilt insbesondere in Konzernsachverhalten. Das DrittelbG sieht eigentlich klare Regelungen vor, wann auch Arbeitnehmer aus Konzerngesellschaften für die Berechnung des Schwellenwertes mitgezählt werden:

§ 2 Konzern (Drittelbeteiligungsgesetz - DrittelbG)

(1) An der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer des herrschenden Unternehmens eines Konzerns (§ 18 Abs. 1 des Aktiengesetzes) nehmen auch die Arbeitnehmer der übrigen Konzernunternehmen teil.

(2) Soweit nach § 1 die Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat eines herrschenden Unternehmens von dem Vorhandensein oder der Zahl von Arbeitnehmern abhängt, gelten die Arbeitnehmer eines Konzernunternehmens als solche des herrschenden Unternehmens, wenn zwischen den Unternehmen ein Beherrschungsvertrag besteht oder das abhängige Unternehmen in das herrschende Unternehmen eingegliedert ist.

Die Regelung in § 2 Absatz 2 DrittelbG sagt es klar: Nur bei Beherrschungsverträgen oder Eingliederungen (§ 2 Abs. 2 DrittelbG) erfolgt eine Zurechnung.

Betriebsrat – Statusverfahren zur Mitbestimmung der Arbeitnehmer

Im besagten Fall des KG Berlin beschäftigte die Holdinggesellschaft (GmbH) selbst nur 290 Arbeitnehmer. Ihre Tochter- und Enkelgesellschaften hatten jedoch jeweils mehrere hundert Mitarbeiter; zusammen waren es grob 900 Arbeitnehmer in den „Konzerngesellschaften“.

Die beteiligten Betriebsräte forderten deshalb einen drittelbeteiligten Aufsichtsrat und argumentierten, es liege ein faktischer Konzern und ein Gemeinschaftsbetrieb vor. Beides solle zur Zurechnung der Arbeitnehmer führen. Offensichtlich strengten die Betriebsräte dann bei Gericht ein Statusverfahren nach §§ 98 ff. AktG an. Nachdem das LG Berlin sich gegen die Auffassung der Betriebsräte gestellt hatte, riefen diese das Kammergericht Berlin an. Doch auch das Kammergericht Berlin blieb sehr klar beim klaren Wortlaut:

Den Ausgangspunkt jeder Gesetzesauslegung bildet grundsätzlich der Wortlaut einer Norm […]. Denn das nach dem Wortlaut sprachlich Mögliche, also der mögliche Wortsinn, steckt grundsätzlich die Grenzen ab, innerhalb derer ein vom Gesetz verwendeter Begriff überhaupt ausgelegt werden kann […]. Aus dem Wortlaut lässt sich eine Anrechnung von Arbeitnehmern für das Erreichen des Schwellenwerts bei einem nicht-qualifizierten Konzern zweifelsfrei nicht herleiten.“

Auch andere Argumente wies das KG Berlin zurück und folgte damit im Ergebnis vorherigen Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte.

Keine Zurechnung im faktischen Konzern und Gemeinschaftsbetrieb

Die Aussagen des Kammergerichts Berlin betreffend § 2 DrittelbG lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Keine Zurechnung im faktischen Konzern, d.h. eine rein tatsächliche Beherrschung ohne Vertrag führt nicht zu einer Zurechnung der Arbeitnehmer
  • Keine Zurechnung im Gemeinschaftsbetrieb, d.h. auch bei Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebs (vgl. § 1 Abs. 2 BetrVG)

Zu Recht hat das Kammergericht Berlin in seiner Entscheidung betont, dass Gerichte keine Ersatzgesetzgeber seien – der Gesetzgeber entscheide über die „Ausweitung“ der Mitbestimmung, nicht die Gerichte. Die Gewaltenteilung zwischen Legislative und Judikative lebt also doch noch …

Mitbestimmung durch Konzernstrukturen gestalten 

Für Unternehmen bedeutet die Entscheidung des KG Berlin ein Stück Rechtssicherheit: Ohne Beherrschungsvertrag oder Eingliederung bleibt es bei den „eigenen“ Arbeitnehmern – keine Zurechnung im faktischen Konzern und Gemeinschaftsbetrieb.

Kritiker, insbesondere Arbeitnehmervertreter, werden behaupten, dass Konzerne damit die Schwellenwerte gezielt steuern könnten. Das ist womöglich so – doch dies ist eine gesetzgeberische Entscheidung. Und schließlich gilt: gute Arbeitsplätze und zufriedene Arbeitnehmer gibt es auch außerhalb gesetzlich mitbestimmter Unternehmen.

Hinweis: Wird die Schwelle von 2.000 Arbeitnehmern überschritten, ist für den Aufsichtsrat sogar eine paritätische Besetzung nach dem Mitbestimmungsgesetz gesetzlich vorgesehen.