Erbe verwirkt – die Erbunwürdigkeit bei der Tötung in guter Absicht

BGH zur Erbunwürdigkeit

Veröffentlicht am: 24.07.2015
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Erbfälle in denen die Erbunwürdigkeit des Erben eine Rolle spielt, sind oft von großer Dramatik. So auch der Fall, den der Bundesgerichtshof am 11. März 2015 zu entscheiden hatte: Eine an Alzheimer erkrankte Dame lebte in einem Alten- und Pflegeheim und war nach einem epileptischen Anfall nicht mehr in der Lage verbal zu kommunizieren. Ihr Ehemann, der vom Gericht als Betreuer eingesetzt war, war depressiv und hatte bereits eine Selbsttötung versucht. Eines Tages schnitt er den Verbindungsschlauch zur Magensonde seiner Ehefrau durch, um die künstliche Ernährung zu stoppen. Das Pflegepersonal bemerkte dies und stellte die Verbindung – gegen den Willen des Ehemanns – wieder her. Die Frau verstarb einen Monat später unabhängig von der Tat des Mannes. Dieser wurde wegen versuchten Totschlags in einem minderschweren Fall zu einer einjährigen Bewährungsstrafe verurteilt.  

Der Ehemann war in einem Ehegattentestament (Berliner Testament) zum Alleinerben seiner Frau eingesetzt. Einer der Söhne verlangte zunächst seinen Pflichtteil und erhob dann Klage auf Feststellung der Erbunwürdigkeit. Der BGH gab dem Sohn recht. Erbunwürdig sei auch der Erbe, der versucht, den seit Jahren nicht mehr geschäftsfähigen Erblasser zu töten. Das gelte jedenfalls dann, wenn der Erblasser keine Patientenverfügung hinterlassen habe, keine Tötung auf Verlangen im Sinne des Strafgesetzbuchs vorliege, der Erbe nicht das gesetzliche Verfahren nach § 1901a ff. BGB eingehalten habe und auch sonst kein tatsächlicher geäußerter Wille des Erblassers zum Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen ermittelt werden könne.   Dem Ehemann – dem ja durchaus eine gute Absicht – bei der Tötung unterstellt werden kann, hilft diese zivilrechtlich also nichts. Er wollte seine Ehefrau töten und es lagen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass diese eine solche Tötung wollte. Kommt er strafrechtlich mit einer Bewährungsstrafe davon, verliert er erbrechtlich alles. Sein Erbrecht hatte er wegen Erbunwürdigkeit verwirkt. Hätte der Sohn jedoch nicht die Erbschaft des Vaters angefochten, wäre dieser dennoch Erbe geworden, da die Erbunwürdigkeit nicht von Amts wegen geltend gemacht wird, sondern nur von anfechtungsberechtigten Personen, die selbst vom Wegfall des Erben profitieren.  

Hintergrund                                                  

In vielen Erbfällen kommt es zu einem Erbstreit. In der Regel geht es um den die Existenz bzw. den Inhalt von Testamenten und das Verhalten von Erben und Enterbten zu Lebzeiten des Erblassers. Der Fall der Erbunwürdigkeit spielt in der Praxis eher eine untergeordnete Rolle. Häufiger geht es weniger um die Anfechtung des Erbschaftserwerbs durch einen Erben sondern um die Anfechtung des Testaments selbst. Ansatzpunkte, um gegen ein Testament vorzugehen finden sich schnell: Formfehler, Testierunfähigkeit, Irrtum des Testierenden sind nur einige populäre Gründe, warum eine letztwillige Verfügung unwirksam sein kann.